Neue Taube an der Spitze der Banca d'Italia
Fabio Panetta gilt als unabhängiger Geist
bl Mailand
Von Gerhard Bläske, Mailand
Wenige Tage nach seinem Amtsantritt am 1. November hat Premierministerin Giorgia Meloni den neuen Notenbankchef Fabio Panetta (64) in ihre Amtssitz Palazzo Chigi zu einem Meinungsaustausch empfangen. Anlass dazu gibt es. Die Sorgen der Finanzmärkte wegen Italiens hoher Schulden sind gewachsen. Und die hohen Zinsen drohen das Wachstum abzuwürgen und erhöhen den Schuldendienst. Der neue Gouverneur, der die letzten dreieinhalb Jahre Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB) war, hat zu diesen Fragen eine klare Meinung. Und anders als der eher zurückhaltende Visco, der die Notenbank zwölf Jahre lang geleitet hat, äußert Panetta seine Ansichten oft auch temperamentvoll und offensiv.
So tritt er für einen großen gemeinsamen Haushalt in Europa und die Aufnahme gemeinsamer Schulden ein. Wiederholt hat er vor „Überreaktionen“ in der Zinspolitik gewarnt, die die Wirtschaft dauerhaft belasteten. Wie fast alle italienischen Ökonomen ist auch Panetta geldpolitisch eine Taube.
Der Sachverstand des promovierten Ökonomen aus Rom wird allgemein anerkannt. Panetta hat an der römischen Universität Luiss ein Wirtschaftsstudium mit Auszeichnung bestanden, später an der London School of Economics studiert und an der London Business School promoviert. Seine Karriere begann er mit 26 bei der Banca d’Italia. Dort stieg er schnell auf und blieb fast sein ganzes Berufsleben. Bevor er zur EZB wechselte, war er von 2012 bis 2019 Vizechef der italienischen Notenbank. Eine führende Rolle spielte er bei der Rettung von Krisenbanken wie den venezianischen Volksbanken, der Genueser Carige und der Monte dei Paschi di Siena (MPS). Schon früh erwarb er auch das Vertrauen Mario Draghi.
Panetta gilt zwar als konservativ, aber auch als unabhängiger Geist. Das Angebot Melonis, als Wirtschafts- und Finanzminister in ihr Kabinett einzutreten, schlug er aus. In seiner neuen Rolle wird der Vater von drei Kindern bei der EZB weiter eine wichtige Funktion haben. In Frankfurt beschäftigte er sich vor allem mit Fragen wie dem digitalen Euro und dem grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr.
Langweilig wird ihm nicht. Im Bankensektor wird es vor allem um die Privatisierung der Monte dei Paschi, die Zukunft der Volksbank von Bari sowie die Wahrung der Stabilität der kleineren Banken gehen. Er wird wohl das Engagement der Notenbank in italienischen Staatsanleihen reduzieren. Die Banca d’Italia hält ein Viertel der Schuldentitel.
Personalpolitisch muss er nach dem Weggang von Piero Cipollone, der Panettas Nachfolge in Frankfurt angetreten hat, dessen Posten als Vizechef der Banca d’Italia besetzen. Im Gespräch sind mit Gian Luca Trequattrini und Sergio Nicoletti Altimari zwei interne Kandidaten.