Nintendo-Chef besteht die Feuertaufe
Von Martin Fritz, Tokio
Mit dem erfolgreichen Verkaufsstart der Videokonsole Switch OLED Edition hat Shuntaro Furukawa (49) seine Feuertaufe als Präsident und CEO von Nintendo bestanden. Die erstmals überarbeitete Konsole kam am 8. Oktober weltweit zum erhöhten Preis von 350 Dollar in die Läden – rund 50 Dollar mehr als das Standardmodell – und verkaufte sich auf dem japanischen Heimatmarkt in der ersten Woche rund 138000 Mal.
Zwar lag diese Absatzzahl um 58% unter dem Verkaufsstart der Switch im Jahr 2017 und 22% unter der Switch Lite 2019. Aber wenn man berücksichtigt, dass der japanische Markt nach vier Verkaufsjahren relativ gesättigt ist und das erste Update außer schärferen Bildern, einem auf 64 GB verdoppelten Speicher und besseren Lautsprechern wenig Neues bietet, hat Furukawa die Marktlage offenbar richtig eingeschätzt.
Chipmangel fordert Tribut
Zudem musste Nintendo dem Chipmangel Tribut zollen und konnte nicht genügend Konsolen vorproduzieren. Japanische Einzelhändler verkauften die neue Version daher per Lotterie, weil ihr Kontingent binnen weniger Minuten online ausverkauft war. Der deutsche Analyst Serkan Toto vermutete gar, dass Nintendo einen OLED- statt des höherwertigen 4K-Schirms wählte, um die Lieferprobleme zu verringern.
Der souveräne Absatzerfolg kommt angesichts der Karriere von Nintendo-Chef Furukawa wenig überraschend. Er ist der erste Nintendo-Chef, der schon als Kind mit der frühesten Konsole Famicon spielte. Seine Sporen verdiente sich der Absolvent der renommierten Waseda-Universität in Tokio mit einem Bachelor-Abschluss in Politologie während seiner zehn Dienstjahre bei Nintendo Europa in Frankfurt. In dieser Zeit überflügelte Nintendo mit der damaligen Konsole Wii in Europa die Rivalen Sony und Microsoft. Vor neun Jahren rückte Furukawa als Vertreter von Nintendo in den Verwaltungsrat von The Pokemon Company auf. Nintendo gehört ein Drittel der Anteile an dem Besitzer der Pokemon-Lizenzen.
Als der charismatische Nintendo-Chef Satoru Iwata 2015 überraschend starb, gehörte Furukawa zum Umfeld des Interim-Präsidenten Tatsumi Kimishima, der ihn für einen geeigneten Nachfolger hielt. Zunächst bewährte er sich in der Unternehmensplanung, ab 2016 verantwortete er das weltweite Marketing. Laut Analyst Toto war Furukawa für die Entwicklung der Marketingstrategie der Switch verantwortlich. Ende Juni 2018 folgte er seinem Mentor Kimishima und rückte an die Spitze auf.
Hohe Ziele
Gegenüber der Finanzzeitung „Nikkei“ erklärte der neue Nintendo-Präsident im Mai 2018 seine Geschäftsziele: Erstens sollte das Unternehmen mit eigenen Spielen sowie Lizenzen für Smartphones 100 Mrd. Yen (763 Mill. Euro) jährlich verdienen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr bis März 2021 waren es jedoch erst 57 Mrd. Yen. Zweitens wollte Furukawa die Switch-Konsole auch in neuen Märkten wie dem Nahen Osten und Südostasien verkaufen. Doch bisher wurden nur 11,4 Millionen Stück oder 13% außerhalb der Standardmärkte Japan, Europa und Nordamerika abgesetzt. Drittens kündigte der neue Chef ein fünfköpfiges Komitee an, das über neue Produkte entscheiden werde. Bis dahin waren an diesem Auswahlprozess angeblich weniger Manager beteiligt.