Impfstoff-Debatte

Nur verhaltene Kritik des EU-Parlaments an von der Leyen

Im Europaparlament hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die heftig kritisierte Impfstoffbeschaffung ihrer Behörde noch einmal im Grundsatz verteidigt. Viele Abgeordnete zeigten Verständnis.

Nur verhaltene Kritik des EU-Parlaments an von der Leyen

Von Andreas Heitker, Brüssel

Die EU-Kommission und insbesondere ihre Präsidentin Ursula von der Leyen hat in den vergangenen Wochen viel Prügel dafür einstecken müssen, dass die Corona-Impfungen in Europa so langsam in Gang kamen. Egal ob objektiv Fehler von der Behörde oder den beteiligten Pharmafirmen gemacht wurden oder nur ein schwaches Erwartungsmanagement der Politik (auch auf nationaler Ebene) aufgefangen werden musste – der Schwarze Peter lag zuverlässig in Brüssel.

Das EU-Parlament wollte sich an dem eher undifferenzierten, aber populären Kommissionsbashing gestern nicht so recht beteiligen. In einer Debatte mit von der Leyen kam aus den großen proeuropäischen Fraktionen allenfalls verhaltene Kritik an der Impfstoffbeschaffung der Kommission. Der Arzt Peter Liese, CDU-Parteifreund von der Leyens, sagte, man müsse mit den Mythen aufräumen, dass die EU zu spät Impfstoffe bestellt und dafür zu wenig Geld ausgegeben habe. Es sei nicht alles perfekt gelaufen – aber vieles werde verdreht. Und Manfred Weber, Fraktionschef der EVP, verwies darauf, dass es richtig gewesen sei, gegenüber den Unternehmen – anders als etwa Großbritannien und die USA – auf Haftungsregeln zu bestehen, und dass es eine ordnungsgemäße Prüfung der Vakzine durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA gegeben habe. Darauf verweist auch der französische Liberale Pascal Canfin. Der Impfrückstand gegenüber Großbritannien sei damit zu erklären, dass die EU „die Verfahren eingehalten“ habe, sagt er.

Von der Leyen, die in der vergangenen Woche bereits einzelnen Fraktionen im Parlament ihre Aufwartung gemacht hatte, um die Gemüter zu beruhigen, hatte sich zuvor durchaus selbstkritisch gezeigt: „Wir waren spät dran bei der Zulassung. Wir waren zu optimistisch bei der Massenproduktion. Und vielleicht waren wir uns auch zu sicher, dass das Bestellte tatsächlich pünktlich geliefert wird“, räumte sie ein.

An der grundsätzlichen Herangehensweise bei der Impfstoffbeschaffung machte sie hingegen keine Abstriche. Es sei richtig gewesen, dass Europa den Impfstoff gemeinsam bestellt habe, betonte die CDU-Politikerin. „Ich mag mir gar nicht ausmalen, was es bedeutet hätte, wenn einige wenige große Mitgliedstaaten sich Impfstoff gesichert hätten und der Rest leer ausgegangen wäre.“ Es wäre nach Einschätzung von der Leyens zudem wirtschaftlicher Unsinn gewesen – und „das Ende unserer Gemeinschaft“.

Die Lieferschwierigkeiten der Unternehmen begründet die Kommissionschefin noch einmal mit den komplexen Produktionsverfahren mit ihren bis zu 400 Bestandteilen, an deren Herstellung wiederum bis zu 100 Unternehmen beteiligt seien. Für eine bessere Koordinierung soll nun eine neue Taskforce unter der Leitung von Industriekommissar Thierry Breton sorgen.

Von der Leyen verspricht den Abgeordneten außerdem einen besseren Arbeitsrahmen für die EMA, der künftig Zulassungsverfahren beschleunigen soll, sowie eine „Kontaktgruppe“ aus EU-Kommission und EU-Parlament, um für mehr Transparenz bei der Impfstoffbeschaffung zu sorgen. Dieses Thema lag den Abgeordneten besonders am Herzen.

Heftige Kritik musste von der Leyen gestern vor allem von ganz rechter und ganz linker Seite im Parlament einstecken. Die französische Linke Manon Aubry monierte, die Kommission habe sich dem „Diktat der Pharmafirmen gebeugt“, und forderte einen Untersuchungsausschuss. Und der AfD-Politiker Jörg Meuthen sprach von einem „Totalversagen“. Die EU habe es „wieder mal vergeigt“, kritisierte er, warf von der Leyen persönlich „Unfähigkeit“ vor und forderte sie zum Rücktritt auf. Diese hatte da das Plenum des Parlaments aber schon wieder verlassen.