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Oligarch Fridman auf Einkaufstour

Von Eduard Steiner, Moskau Börsen-Zeitung, 8.4.2015 Wer Michail Fridman kennenlernt, würde nicht gleich denken, dass der heute 50-Jährige seit Jahren Geld an einen Fonds für herzkranke Kinder oder an ein Jazzfestival in seiner westukrainischen...

Oligarch Fridman auf Einkaufstour

Von Eduard Steiner, MoskauWer Michail Fridman kennenlernt, würde nicht gleich denken, dass der heute 50-Jährige seit Jahren Geld an einen Fonds für herzkranke Kinder oder an ein Jazzfestival in seiner westukrainischen Heimatstadt Lemberg spendet. Kaum weniger überraschend für viele war seine Teilnahme am Begräbnis des in Moskau ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow Anfang März, womit er – trotz erklärter politischer Neutralität – seine Betroffenheit über die Lage in Russland öffentlich bekundete. Fridman, der als zweitreichster Russe von Forbes Russia auf ein Vermögen von 17,6 Mrd. Dollar geschätzt wird, kann eben auch anders. Man sieht es halt selten.Denn eigentlich gibt es in der russischen Geschäftswelt kaum einen härteren, streitlustigeren, aber auch gewiefteren Unternehmer als ihn. Einen Geschäftsmann mache nämlich Abenteuerlust, Bereitschaft zum Konflikt und eine angemessene Einschätzung seiner selbst und seiner Umgebung aus, wie er selber einmal sagte. Im Übrigen, so der geschiedene Vater von vier Kindern, interessiere ihn eigentlich kaum etwas außer der Wirtschaft.Vor dem Hintergrund dieses Naturells will er nun den europäischen und amerikanischen Telekommunikations- und Technologiesektor aufmischen. Fridman ist nämlich auf dem Sprung, ganze 16 Mrd. Dollar in diesen Sektor zu investieren, wie die “Financial Times” berichtete. Fridman und seine russischen Partner hätten dafür ein eigenes Investitionsvehikel namens LetterOne Technology (L1 Technology) gegründet, das sich als eigener Zweig innerhalb seines großen Investitionsvehikels L1 versteht. Eine Aufstockung auf 25 Mrd. Dollar sei möglich. Als Aufsichtsräte in den neuen Investitionsfonds ziehen unter anderem der Gründer von Lastminute.com Brent Hoberman sowie Sir Julian Horn-Smith, einer der Gründer von Vodafone, ein.Fridman, dessen Eltern in Köln leben, zieht es in den Westen. Das kommt nicht von ungefähr. Seit er und die britische BP ihr äußerst lukratives russisches Öl-Joint-Venture TNK-BP nach einem langen Aktionärsstreit vor zwei Jahren an den staatlichen Konkurrenten Rosneft verkaufen mussten, sitzt Fridman auf etlichen Milliarden. Selbst wenn es in Russland attraktive Vermögenswerte zu kaufen gäbe, wäre momentan nicht die Zeit dafür. So sieht sich Fridman anderweitig um. Zuletzt hat er die RWE-Fördertochter Dea für 5,1 Mrd. Euro erworben.Dass er nun den Telekommunikationssektor fokussiert, hat seine Logik. Dieser war schon bisher eines der wichtigsten Standbeine neben den Beteiligungen aus der Öl-, der Banken- und Retailbranche, die Fridman in seiner “Alfa-Group” gebündelt hat. Der Konzern Vimpelcom gehört genauso dazu wie sein 13-Prozent-Anteil an der türkischen Turkcell, wo derzeit zwischen ihm und dem türkischen Anteilseigner, der Cukurova Holding, ein Aktionärsstreit vor einem Londoner Schiedsgericht beginnt. Man wolle ein breites Portfolio aufbauen, das von traditionellen Telekommunikationsfirmen mit Kapitalbedarf bis zu Internet-Unternehmen reicht, die Apps produzieren und sich als Dienstleister im Streaming verstehen, so Alexej Resnikowitsch, Generaldirektor von L1 Technology. Immerhin: Auf ein neues Google sei man nicht aus.