Keir Starmers Stabschefin

Sue Gray, die graue Eminenz

Keir Starmer hat ein Problem: Seine Stabschefin Sue Gray zeigt ähnliche Allüren wie einst Dominic Cummings. Sie gilt als graue Eminenz.

Sue Gray, die graue Eminenz

Sue Gray,
die graue Eminenz

von Andreas Hippin, London

Wenn es in den Medien nicht mehr um den Premierminister und seine Politik geht, sondern um seine Berater, ist es höchste Zeit für ihn zu handeln. Keir Starmers Vorgänger Boris Johnson machten einst Negativschlagzeilen zu seinem Chefstrategen Dominic Cummings zu schaffen. Der im Juli gewählte Labour-Premier konnte zuletzt in der „Daily Mail“ nachlesen, wie sehr Sue Gray den Platzhirschen in 10 Downing Street als graue Eminenz auf die Nerven geht.

Dem Blatt zufolge fand Starmers Chefstratege Morgan McSweeny in den wenigen Wochen seit dem Amtsantritt der Labour-Regierung gleich zwei Mal seinen Schreibtisch an einem anderen Ort. Gray habe ihn immer weiter weg vom Büro des Premierministers platzieren lassen. Angeblich wollte sie ihm auch den Zugang zu einem wichtigen IT-System vorenthalten.

„Klarer Sieg über die Jungs“

Luke Sullivan, zu dessen Aufgaben es gehörte, die Hinterbänkler der eigenen Partei bei Laune zu halten, sei durch Vidhya Alekson ersetzt worden. Sie war zuvor mit den Beziehungen zur Wirtschaft befasst. „Es war ein klarer Sieg für Gray und die Mädels über McSweeny und die Jungs“, zitiert die „Daily Mail“ einen Insider und gibt damit ungewollt tiefe Einblicke in die Beziehungen zwischen den Geschlechtern am Dienstsitz des Premierministers.

Viel ist nicht bekannt über die ehemalige Spitzenbeamtin irischer Abstammung, von der die Ermittlungen im Partygate-Skandal geführt wurden. Dazu passt, dass sie einmal als „die mächtigste Person, von der man noch nie gehört hat“ beschrieben wurde. Ihr Bericht zu den feuchtfröhlichen Zusammenkünften in der Downing Street während der pandemiebedingten Ausgangssperren trug wesentlich zu Johnsons Sturz bei.

Wirtin in Nordirland

Ende der 1970er-Jahre trat sie gleich nach der Schule in den öffentlichen Dienst ein. Ihr Alter dürfte zwischen 66 und 67 Jahren liegen. In den 1980er-Jahren verabschiedete sie sich für eine Weile nach Nordirland, wo sie mit ihrem Mann, dem nordirischen Countrysänger Bill Conlon, einen Pub betrieb.

Weil sich diese Gaststätte, die Cove Bar, in der Nähe von Newry im County Down befand, wo die nationalistische IRA den Ton angab, wurde ihr geheimdienstliche Tätigkeit dort unterstellt, was sie abstreitet. „Ich habe es geliebt“, sagte sie der BBC über ihre Zeit als Wirtin. „Ich habe es zu der Zeit geliebt. Ich würde es nicht wieder tun.“ Sie kehrte zurück in den öffentlichen Dienst, wo sie sich bis zur Nummer 2 im Cabinet Office hocharbeitete.

„Wer Großbritannien führt“

„Ich habe genau zwei Jahre gebraucht, bevor mir klar wurde, wer Großbritannien führt“, zitiert der ehemalige Staatssekretär David Laws von den Liberaldemokraten in seinen Memoiren einen früheren Kollegen. „Unser großartiges Vereinigtes Königreich wird tatsächlich komplett von einer Dame namens Sue Gray geführt.“ Sie fungiere als „Head of Ethics oder so etwas“ im Cabinet Office. „Solange sie nicht zustimmt, passiert auch nichts.“

Es war das Team für Anstand und Ethik, an dessen Spitze Gray stand. Polly McKenzie, eine ehemalige Beraterin im Cabinet Office, sagte der BBC: „Sue war so lange dort. Sie weiß alles, was jeder Beliebige je falsch gemacht hat.“ Gray hatte einen Ruf wie Donnerhall und galt als Inbegriff von Unbestechlichkeit und Moral.

Von Spitzenjob zu Spitzenjob

Nach 20 Jahren ließ sie sich nach Nordirland entsenden und bewarb sich um eine Stelle in der dortigen Regionalregierung, die sie aber nicht bekam. Darüber sei sie enttäuscht, sagte sie damals der BBC. Man habe sie offenbar zu sehr als Herausforderer betrachtet, als Umstürzlerin. Trotz alledem trat sie alsbald die nächste Spitzenposition im Londoner Regierungsviertel Whitehall an: im Ministerium für Angleichung der Lebensverhältnisse, Wohnungsbau und Lokalverwaltungen.

In 10 Downing Street könnte sie ihre als Wirtin in Nordirland erworbenen Kenntnisse nutzen. Denn wenn nicht schnell Ruhe einkehrt, wird sie für Starmer von der Stütze zur Belastung.

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