Alptraum der Tories

Nigel Farage tritt doch zur Wahl an

Nigel Farage will das Unterhausmandat von Clacton-on-Sea erringen. Mit Reform UK dürfte er den Tories eine Menge Stimmen abnehmen.

Nigel Farage tritt doch zur Wahl an

Nigel Farage tritt doch zur Unterhauswahl an

hip London

Die britischen Konservativen haben ein Problem mehr: Nigel Farage wird nun doch an der Spitze von Reform UK in den Unterhauswahlkampf ziehen. Der bisherige Ehrenpräsident der Rechtspartei übernahm das Steuer von Richard Tice. Der Selfmade-Millionär hatte die Partei wie ein Unternehmen geführt.

„Wir lieben dich, Nigel!“

Am Pier des heruntergekommenen Seebads Clacton-on-Sea in Essex wurde Farage am Dienstag zur Mittagszeit von Hunderten seiner Anhänger begrüßt. In einer Umfrage des Verbrauchermagazins „Which?“ zu britischen Badeorten schnitt es, zusammen mit Skegness, am schlechtesten ab. Farage versprach, im Falle seiner Wahl ein „verdammter Quälgeist“ im Parlament zu sein. Es überwogen die „Wir lieben dich, Nigel“-Rufe. Doch endete sein Besuch in einem Wetherspoons-Pub damit, dass ihm eine Frau ihren Drink übers Jackett schüttete.

Vor zwei Wochen hatte Farage noch behauptet, bei der Wahl in den Vereinigten Staaten gehe es um wichtigere Dinge. Deshalb werde er nicht antreten. „Mr. Brexit“ ist ein Freund von Donald Trump. Nach dessen Wahlsieg 2016 hatte der ehemalige Rohstoffhändler aus der City, der unter anderem für Drexel Burnham Lambert tätig war, Zugang zum neuen US-Präsidenten, der Farage als britischen Botschafter in Washington vorschlug. Farages Gegner gingen davon aus, dass er Trump dieses Jahr als Wahlkampfhelfer beispringen würde.

Ukip-Hochburg als Sprungbrett

Doch nun fasste sich Farage offenbar ein Herz. Dass er in Clacton-on-Sea antritt, ist kein Zufall. Hier holte seine UK Independence Party (Ukip) bei einer Nachwahl vor zehn Jahren einen Sitz im House of Commons. Und Douglas Carswell konnte es ein Jahr später verteidigen. Aus Sicht von Dominic Cummings, dem ehemaligen Chefstrategen von Boris Johnson, könnte Farages Rückkehr aus dem politischen Ruhestand die Tory-Fraktion im Unterhaus auf eine zweistellige Zahl von Mandaten zusammenschrumpfen lassen. Vor der Auflösung des Parlaments hatten die Konservativen dort 344 Sitze.

Die Unterstützung für Farage im Land sei grundsätzlich begrenzt, erklärte Cummings vergangenen Monat dem „Independent“. Premierminister könne er nicht werden. „Er ist, was er ist. In dem Alter ändern sich Leute nicht mehr“, sagte der umstrittene Strippenzieher. „Bei einer bestimmten Gruppe von Menschen ist er sehr beliebt. Wenn er motiviert ist, kann er locker 15% bis 20% der Stimmen holen, aber keine 40% bis 45%.“

Vom Adelstitel weit entfernt

Die Tories hätten sich das Problem sparen können, wenn sie Farage einen Sitz im House of Lords angeboten hätten. Doch hat man ihm nicht verziehen, dass er einst durch den großen Wahlerfolg von Ukip die Volksabstimmung über den Brexit auf die Tagesordnung setzte. Den Adelstitel gönnte man ihm nicht.

Das Hin und Her, das seiner Entscheidung für die Kandidatur voranging, ist typisch für Farage. In der Nacht, in der die Stimmen des EU-Referendums ausgezählt wurden, glaubte er zunächst, die Mehrheit habe sich für den Verbleib in der Staatengemeinschaft entschieden. Hinter seinem vollmundigen Auftreten steckt ein Zweifler, kein knallharter Macher.

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