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Peter macht Bahn­technik zum Stütz­pfeiler

Siemens genehmigt der Sparte Mobility einen Zukauf mit hohen Multiples. Dies dokumentiert das neue Vertrauen des Konzerns in die Bahntechnik.

Peter macht Bahn­technik zum Stütz­pfeiler

Von Michael Flämig, München

Michael Peter ist der Mann, der für den Kauf einer Firma mit einem 40-Mill.-Umsatz 550 Mill. Euro auf den Tisch legen darf. Damit schlägt der CEO von Siemens Mobility seinen Kollegen Cedrik Neike. Als der Chef der Siemens-Sparte Digital Industries und Siemens-Vorstand im Mai den Erwerb des Elektronik-Marktplatzbetreibers Supplyframe für das Zehnfache des Umsatzes ankündigte, stieß er in eine neue Dimension vor. Nun wird das 14-Fache für das niederländische Unternehmen Sqills aufgerufen, hinzu kommt eine Prämie bei gutem Geschäftsverlauf.

Peter konnte beim Start seiner Berufslaufbahn 1992 als Trainee im Siemens-Bereich Transportation Systems natürlich nicht ahnen, einmal ein Softwareunternehmen zu kaufen – und schon gar nicht, derartige Multiples genehmigt zu bekommen. Der 55-Jährige tritt bodenständig und unprätentiös auf, auch bei der Wahl seines Lieblingsrestaurants in Berlin. Vor allem aber hat er seine gesamte Karriere in einer Branche absolviert, die nicht von astronomisch hohen Bewertungen geprägt ist, sondern von zeitweise überschaubaren Margen im Geschäft mit Blech und Schrauben.

Software für Bus und Bahn

Mit der Sqills-Akquisition stößt Peter noch stärker in das Softwaregeschäft vor. Zudem wird die Produktpalette als Abonnement gebucht (Software as a Service) – derartige Lösungen strebt Siemens auch in der Sparte Digital Industries an. „Um die Fahrgastzahlen auf der Schiene signifikant zu steigern und die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, müssen Bahnbetreiber ihren Fahrgästen bessere Tools bereitstellen, mit denen sie alle angebotenen Bahndienstleistungen einfach ermitteln und nahtlos nutzen können“, ist Peter überzeugt. Sqills könne dies mit der einfach zu implementierenden Plattform.

Wundersame Metamorphose

Das im Jahr 2002 gegründete Unternehmen mit 160 Beschäftigten offeriert sein cloudbasiertes Bu­chungssystem den Bahn- und Busunternehmen für alle Kernprozesse vom Ticketverkauf bis zum Vertrieb. Seit Mai ist beispielsweise die französische Staatsbahn SNCF dabei, auch Iris Rail und Eurostar gehören zu den bisher 33 Kunden. Sqills ist vor allem in Europa erfolgreich – ein Motiv für die vier Gründer, ihre Firma an einen Global Player zu verkaufen, der Skaleneffekte erzielen kann. Es werde möglich, „in den asiatisch-pazifischen Raum und nach Amerika zu expandieren“, erklärt Mitgründer Bart van Munster.

Peter verspricht seinen Kunden, mithilfe von Sqills die Auslastung ihrer Verkehrsmittel verbessern zu können. Angesichts der zunehmenden Liberalisierung des Schienenverkehrsmarktes ist dies nach Ansicht von Siemens wichtig. Aus der Kombination mit den Lösungen der Siemens-Softwaretochter Hacon entstehe ein umfassendes Angebot, mit dem Bahnbetreiber ihre Prozesse von der Reiseplanung bis zum Ertragsmanagement optimieren könnten, betont Peter.

Sqills werde nach dem Vollzug der Transaktion im ersten Quartal des nächsten Geschäftsjahres als eigenständige Tochter von Siemens Mobility geführt, erklärt das Unternehmen. Die operative Marge (Ebitda) wird mit einem zweistelligen Prozentsatz angegeben. Die Akquisition soll im zweiten Jahr nach Abschluss einen positiven Beitrag zum Ergebnis leisten.

Peter steht seit dem Jahr 2018 an der Spitze von Siemens Mobility, seit Juli vergangenen Jahres führt er das Unternehmen allein. Die Siemens-Bahntechnik hat in dieser Zeit eine wundersame Metamorphose durchlaufen: Vom etwas ungeliebten Fusions- oder Börsenkandidaten ist sie zu einem Stützpfeiler des Konzerns geworden – der viel Geld für einen Zukauf ausgeben darf.

Vergessen sind die Zeiten, als die Dominanz der chinesischen Konkurrenz an die Wand gemalt wurde. Stattdessen streicht Vorstandsvorsitzender Roland Busch, der in seiner Siemens-Karriere mehrfach für die Bahntechnik arbeitete, gerne den Wert der Sparte heraus, so wie auf der vergangenen Jahrespressekonferenz: „Mobility hat Kennzahlen, die führend in dieser Industrie sind.“

Anlässlich der Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal sagt er, neben dem Sqills-Zukauf gebe es „noch mehr gute Nachrichten von Mobility“. Er erklärt, dass der US-Bahn­betreiber Amtrak einen Auftrag von 2,8 Mrd. Euro erteilt habe.

Klar ist bei aller Begeisterung in der Konzernzentrale: Peter muss liefern. Finanzvorstand Ralf Thomas hat ein kritisches Auge darauf, aber auch er ist des Lobes voll. „Mobility hat im Vergleich zum Wettbewerb einmal mehr hervorragende Arbeit geleistet und auch im Zeitraum der Pandemie ein stabiles Umsatzwachstum erzielt“, sagt er in einer Telefonpressekonferenz zur Vorlage der Zahlen des dritten Quartals. Auf vergleichbarer Basis legte der Umsatz um 5% auf 2,3 Mrd. Euro zu. Thomas betont zudem, die Ergebnismarge habe mit 9,0% erneut innerhalb der Zielspanne von 9 bis 12% gelegen. Dies sei auf die konsequente Projektabarbeitung und den wieder besseren Zugang zu den Kundenstandorten zurückzuführen.

Vielversprechende Pipeline

Wie geht es weiter mit der Siemens-Sparte Mobility und ihrem CEO Peter? Die Projekt-Pipeline sehe auch für die kommenenden Quartale sehr vielversprechend aus, sagt Thomas. Das Umsatzwachstum solle im vierten Quartal des Geschäftsjahres weiterhin im mittleren einstelligen Prozentbereich liegen. Die Ergebnismarge soll etwas höher ausfallen und in Richtung zweistellig gehen – sich damit also vom unteren Rand des Margen-Zielbandes entfernen.

Längerfristig profitiert Siemens Mobility von einem hohen Auftragsbestand. 32 Mrd. Euro türmten sich bereits Ende vergangenen Geschäftsjahres auf. Allein von Anfang April bis Ende Juni 2021 kamen 5,1 Mrd. Euro hinzu.