Prüfer mit Leib und Seele
Von Anna Sleegers, Frankfurt
An mangelnder Kompetenz des Aufsichtsrats dürfte es nicht gelegen haben, dass sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der vergangenen Woche genötigt sah, bei der Bremer Greensill Bank den Stecker zu ziehen. Wie zuerst der Branchenblog „Finanz-Szene“ berichtete, gehörte dem Kontrollgremium seit 2017 der Kölner Wirtschaftsprüfer Eberhard Kieser an. Der 69-jährige Betriebswirt, der auch dem Aufsichtsrat der Essener National-Bank angehört, ist ein ausgewiesener Kenner der Materie: Bis 2014 gehörte er ein Vierteljahrhundert dem Vorstand des Prüfungsverbands deutscher Banken an.
Eben dieser Prüfungsverband, der die Interessen der Mitglieder des Einlagensicherungsfonds wahren soll, war es nach Darstellung des privaten Bankenverbands (BdB), der die BaFin Anfang 2020 auf die Probleme der Greensill Bank hingewiesen hatte. Das Management habe sich „offensichtlich“ nicht an die Regeln des Einlagensicherungsfonds gehalten, heißt es beim BdB, insbesondere mit Blick auf die von dem Institut forcierte Ausweitung des Geschäftsvolumens. Über die Einlagenbroker Zinspilot und Weltsparen hatte die Greensill Bank ihre Bilanz innerhalb weniger Jahre vervielfacht.
Als Mitglied des Aufsichtsrats hätte Kieser diese Probleme auch sehen und entsprechend Alarm schlagen müssen, was er jedoch unterließ. Auf den zumindest rückblickend durchaus fragwürdigen Wechsel vom Prüfungsverband zu Greensill angesprochen, verweist der Bankenverband wiederum auf die BaFin, die der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach erfolgter Prüfung der Eignung zustimmen muss. Dem Prüfungsverband seien die Hände gebunden gewesen, nachdem die zweijährige Karenzzeit verstrichen war, an die Kieser gebunden war.
Fraglich ist allerdings, ob man den Wechsel beim Prüfungsverband überhaupt kritisch gesehen hat. Laut der Recherchen von „Finanz-Szene“ hatte der Prüfungsverband das bis zu dem Einstieg des australischen Investmentbankers Lex Greensill noch als Nordfinanz firmierende Institut zuvor nicht nur mit Argusaugen beobachtet, sondern mit zum Teil harten Auflagen belegt. In den Jahren zwischen 2013 und 2015 habe das Institut einer „regelrechten Kuratel“ des Prüfungsverbands unterstanden. Zeitweise habe das Institut maximal 180 Mill. Euro an Einlagen annehmen dürfen. Mit etwas gutem Willen hätte man Kiesers Berufung in den Aufsichtsrat der Bremer daher sogar als Fortsetzung des Kuratels in anderer Rolle interpretieren können.
Tatsächlich konnte sich das Institut jedoch von Aufsichtsrat, BaFin und Prüfungsverband weitgehend unbehelligt mit privaten Kundeneinlagen vollsaugen, um damit schwer nachvollziehbare Lieferkettenfinanzierungen zu refinanzieren. Schleierhaft bleibt indes, warum sich der Prüfungsverband auch dann noch schwer damit tat, die Zügel bei dem Institut wieder anzuziehen, als er Anfang 2020 besagte „Probleme“ feststellte. War es die fehlende Rückendeckung durch die Aufsicht? Oder die Furcht, ein Mitglied zu vergraulen? Fest steht jedenfalls, dass die Mitgliedsinstitute die Zeche zahlen, wenn die BaFin den Entschädigungsfall feststellt. Wird diese Belastung in Form von höheren Verwahrentgelten auf die Kunden abgewälzt, dürfte deren Interesse an Lockzinsangeboten auf Online-Plattformen noch steigen.