„Reisetauglichkeit ist bei IR immer noch ein Muss“
„Reisetauglichkeit ist bei IR immer noch ein Muss“
Von Carsten Steevens, Hamburg
Seit dem 1. September führt Toralf Haag den Multimetallanbieter und Kupferrecycler Aurubis. Der promovierte Diplom-Kaufmann (58), zuvor Vorstandschef des Heidenheimer Technologiekonzerns Voith, ist Nachfolger von Roland Harings (61). Der seit Mitte 2019 amtierende Vorstandsvorsitzende musste Ende August nach dem Krisenjahr 2023, in dem Werksunfälle mit drei Todesopfern sowie Metalldiebstahls- und -betrugsfälle Aurubis auch mit einer erheblichen Ergebnisbelastung erschütterten, seinen Posten vorzeitig räumen.
Haag ist der sechste Konzernchef, seitdem Angela Seidler den Investor-Relations-(IR)-Bereich des MDax-Unternehmens leitet und für die Kapitalmarktkommunikation von Aurubis zuständig ist. Berichtete sie seit ihrem Wechsel im Herbst 2011 von der damals vor dem Aus stehenden WestLB nach Hamburg an den Vorstandsvorsitzenden, ist der IR-Bereich mit fünf Beschäftigten seit Oktober 2024 dem Finanzvorstand von Aurubis zugeordnet. Bei der Konzernkommunikation (PR) mit acht Mitarbeitenden, deren Leitung sie zusätzlich im Jahr 2018 übernahm, steht Seidler in direkter Berichtslinie mit dem Vorstandschef.
Kritischer Erfolgsfaktor
Dass Aurubis die Führung von Kapitalmarkt- und Konzernkommunikation in einer Person bündelt, findet sie selbstredend sinnvoll. Eine „stringente One-Voice Policy“ sei wichtig. Die Kernbotschaften des Unternehmens müssten, wenn auch mit Adjustierungen je nach Zielgruppe, dieselben sein. Pläne, den IR-Bereich auszubauen, gibt es bei Aurubis aktuell nicht. Dabei sind die Themen in den vergangenen 13 Jahren vielfältiger geworden, wie Seidler anmerkt. Und sie kommen schneller. Die Fähigkeit von IR, im Unternehmen schnell und zu verschiedensten Themen eine Sprachregelung herbeizuführen, die auch Bestand hat, sei heute „ein kritischer Erfolgsfaktor“.
Die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen wie der Rechtsabteilung sei noch intensiver geworden. „IR ist und bleibt eine der wichtigsten Schnittstellenfunktionen“, konstatiert die Bereichsleiterin. Damit verbunden sei eine hohe Sichtbarkeit im Unternehmen, was sich nicht selten sehr positiv auf die persönliche Entwicklung der Kollegen im IR-Bereich auswirke. „Das finde ich persönlich großartig“, so Seidler, die nicht nur zu den Gründungsmitgliedern von Women4Metals, einer branchenspezifischen Initiative zur Förderung von Frauen in der Metallindustrie, gehört, sondern bei Aurubis seit Jahren auch eine Rolle als Mentorin für Talente ausübt.
Zwei Jahrzehnte WestLB
Die aus Uelzen stammende und im Wendland aufgewachsene Diplom-Kauffrau studierte nach dem Abitur 1985 an den Universitäten in Kiel und Münster, ehe sie 1991 in einem Traineeprogramm bei der WestLB begann. In zwei Dekaden bei der Landesbank folgten verschiedene Stationen, zuletzt im Corporate-Finance-Bereich als Key-Account-Managerin für Konzerne in Westeuropa mit Schwerpunkt im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Stahl- und Metallbranche. In dieser Rolle kam Seidler auch in Kontakt mit dem seit 1998 börsennotierten Hamburger Kupferproduzenten, der bis 2009 den Namen Norddeutsche Affinerie führte. Als sie von Bernd Drouven, bis Ende 2011 Vorstandschef von Aurubis und heute Mitglied im Aufsichtsrat des mit knapp 30% beteiligten Großaktionärs Salzgitter, auf einen Wechsel und die Übernahme des Postens als IR-Leiterin angesprochen worden sei, habe sie „nicht lange überlegen“ müssen.
Zufrieden mit Coverage
Mit Blick auf ihre Erfahrungen seit 2011 sagt Seidler, der intensive Austausch mit Analysten, institutionellen Investoren und Privataktionären stehe nach wie vor im Mittelpunkt der IR-Arbeit. Mit der Equity-Research-Coverage von Aurubis, der Betreuung durch Analysten, sei man vor dem Hintergrund der Konsolidierung im Bankenmarkt und des anhaltenden Trends, dass ein Analyst immer mehr Unternehmen abdecken müsse, zufrieden. Aurubis mit ihren verschiedenen Ergebnistreibern und Märkten sei erklärungsintensiv. „Daher freuen wir uns über eine grundsätzliche Konstanz in der Coverage.“ Es sei aber zu spüren, dass der Veröffentlichungsdruck der Analysten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen habe.
Konstante Kontakte
Weiter berichtet Seidler, die Anzahl der Investorenkontakte sei über die Jahre hinweg mehr oder weniger konstant hoch geblieben. Auch wenn er nach dem Ende der Corona-Pandemie zum Teil zurückgedreht wurde, sei der Wandel hin zum virtuellen Dialog bei Investorenkonferenzen und Roadshows zwar weiterhin spürbar. Nichts ersetze aber das persönliche Gespräch: „Reisetauglichkeit ist bei IR immer noch ein Muss.“
Zur Frage nach den Entwicklungen in der IR-Arbeit seit 2011 fügt die Aurubis-Bereichsleiterin hinzu, geändert hätten sich vor allem die Anforderungen im Reporting, insbesondere im Hinblick auf ESG-Kennzahlen und die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Auch Governance-Roadshows seien zu Beginn ihrer Zeit bei dem Unternehmen kaum ein Thema gewesen. Hingegen hätten Prozessoptimierungen in der gesamten Zeitspanne eine große Rolle gespielt, sei es bei Quartals-, Geschäfts- oder Nachhaltigkeitsberichten, bei der Konsensus-Erstellung oder der Ad-hoc-Publizität.
Knappe Ressourcen
In Zeiten knapper Ressourcen und Kostenoptimierung bediene man sich inzwischen digitaler Möglichkeiten wie der Kollaborationssoftware, die es vor über zehn Jahren noch nicht gegeben habe. „Heute sind wir in der Lage, dass alle wichtigen Zulieferer im Unternehmen – und selbst der Vorstand – gleichzeitig an einem 300-Seiten-Bericht arbeiten“, berichtet Seidler. Langwierige Abstimmungsrunden seien Vergangenheit.
Geändert habe sich auch der Zugang zu internationalen Investoren. Dank modernem Investor Targeting spreche Aurubis gezielt und effizient interessierte Investoren in anderen Regionen wie den USA an, wo sich das Unternehmen auch nach dem Bau des neuen Recyclingwerks in Richmond/Georgia weiterhin durch eine US-Agentur unterstützen lässt.
Der Ansatz habe sich bewährt, Aurubis habe eine Reihe neuer Investoren hinzugewonnen, sagt Seidler. „Das Thema Metallrecycling, Rohstoffgewinnung im eigenen Land und Unabhängigkeit von Metallimporten stößt in den USA auf sehr großes Investoreninteresse.“ Das wisse man zu nutzen.
Inflationäre Informationen
Die größten Anforderungen für die IR- und PR-Arbeit in den kommenden Jahren sieht Seidler darin, die Digitalisierung und das Know-how hinsichtlich generativer künstlicher Intelligenz in den Kommunikationsdisziplinen voranzutreiben, Reputationsrisiken etwa aufgrund von Falschnachrichten zu managen und mit knappen Ressourcen umzugehen – bei gleichzeitig zunehmender Regulierung und weiteren Reporting-Anforderungen.
Mit Blick auf zunehmend inflationäre Informationen werde man sich zudem noch mehr darauf ausrichten, die für Aurubis relevanten Stakeholder-Gruppen mit für sie interessanten Inhalten zu erreichen. Dafür, so Seidler, werde man verstärkt auf Daten- und Wirksamkeitsanalysen setzen.
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