Seed-Kapital

Rosinenpicker aus Berlin stellen neuen Fonds auf

Die Berliner Cherry Ventures zählt zu den auffälligsten Frühphasen-Investoren in Europa. Allein 2021 schafften vier Portfoliounternehmen aus Berlin den Sprung auf eine milliardenschwere Bewertung. Für ihren bisher größten Fonds hat die Gesellschaft 300 Mill. Euro eingesammelt.

Rosinenpicker aus Berlin stellen neuen Fonds auf

Von Stefan Paravicini, Berlin

Wer sich aus der Start-up-Landschaft die Rosinen herausrauspicken will, braucht vor allem ein gutes Näschen, in frühen Finanzierungsphasen aber verhältnismäßig wenig Kapital. Als die Ex-Zalando-Manager Christian Meermann (39) und Filip Dames (37) vor mehr als zehn Jahren begannen, als Business Angels zu investieren, schrieben sie noch Tickets in der Größenordnung von 50000 Euro. Jetzt hat die 2013 von Meermann und Dames gestartete Wagniskapitalgesellschaft Cherry Ventures ihren vierten Fonds aufgelegt und bei Investoren 300 Mill. Euro eingesammelt. Es ist einer der größten Fonds für Seed-Finanzierungen in Europa.

„Wir haben einen größeren Fonds aufgelegt, da die Runden größer werden“, erklärte Meermann dem „Manager Magazin“. Denn auch beim „Cherry Picking“ in der Seed-Phase von Nachwuchsunternehmen schreiben Investoren mittlerweile Tickets in der Größenordnung von 5 Mill. bis 10 Mill. Euro. In dieser Liga spielt auch Cherry Ventures als einer der profiliertesten europäischen Frühphasen-Investoren mit. Drei Fünftel der frischen Mittel sind für Folgeinvestitionen bei bestehenden Portfoliofirmen reserviert.

Starthilfe von Zalando

Ihre frühen Beteiligungen haben Meermann und Dames noch weitgehend aus der eigenen Tasche mit Geld aus dem Verkauf ihrer Zalando-Aktien gestemmt. Die ersten Deals fädelten sie oft in der Mittagspause oder bei frühmorgendlichen Treffen mit Firmengründern in einem Café in der Nähe des Rosenthaler Platzes im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ein. Dann sprachen die beiden auf der Hochzeit eines weiteren Ex-Zalando-Managers die Zalando-Gründer Robert Gentz und David Schneider an, und die Idee zur Gründung eines Venture-Fonds mit Mitteln aus dem Zalando-Netzwerk war besiegelt.

Es folgten frühe Investments unter anderem in den Berliner Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 und in das Münchner Fernbusunternehmen Flixbus, die sich zu den ersten Portfoliounternehmen mit milliardenschwerer Bewertung entwickelten. Derzeit umfasst das Portfolio mehr als 75 Start-ups, deren Bewertung gut 23 Mrd. Euro ausmacht. Mit dem Schnelllieferanten Flink, dem Online-Markenspezialisten SellerX, der Digitalspedition Forto und dem Vertical-Farming-Anbieter Infarm haben im vergangenen Jahr vier Berliner Start-ups aus dem Cherry-Portfolio eine milliardenschwere Bewertung erreicht. Flink und SellerX schafften diese Marke innerhalb weniger Monate nach der Seed-Finanzierung unter Beteiligung von Cherry und zählten 2021 zu den schnellsten „Einhörnern“ in Europa. Mit den Mitteln aus dem vierten Fonds, der ungefähr das Volumen der beiden jüngsten Vorgänger zusammen hat, wollen Dames und Meermann unter anderem in den Sektoren Klimatechnik, Agrartechnik, Fintech, E-Commerce und Software Rosinen picken. Außerdem haben sich die fünf Cherry-Partner, zu deren Kreis seit dem Sommer 2020 auch Sophia Bendz, die ehemalige Marketingchefin des schwedischen Musikstreamingdienstes Spotify gehört, weitere Beteiligungen im Umfeld von Kryptotechnologien und Blockchain-Anwendungen wie Radicle, Soba Studios, Morpho und Blackpool vorgenommen.

Vor ihrem Wechsel zu Cherry war Bendz für die Risikokapitalgesellschaft Atomico tätig, wo sie 2018 in den Partnerkreis aufstieg und ein Programm auf die Beine stellte, das Business Angels und Gründer zusammenführt. Die 41-Jährige hat sich selbst an mehr als 40 Unternehmen beteiligt und zählt zu den erfolgreichsten Angel-Investoren in Europa. Bendz interessiert sich unter anderem für das Investmentthema Femtech und ist an Firmen wie Clue und Grace Health beteiligt.

Schon etwas länger als Bendz zählen zum Partnerkreis Thomas Lueke (37) und CFO Alexander Langholz-Baikousis (35). Lueke bringt Gründererfahrung vom Berliner Start-up Bonusbox mit und arbeitete unter anderem bei Bertelsmann sowie für die Beratungsgesellschaft McKinsey. Operating Partner Langholz-Baikousis wechselte 2016 von Morgan Stanley, für die er auch die Börsengänge von Zalando und Rocket Internet begleitete, zu Cherry Ventures. Das gesamte Team umfasst heute 24 Personen, die aus Berlin, Stockholm und London heraus die Augen offenhalten, um möglichst früh die nächste Rosine aus dem europäischen Start-up-Ökosystem picken zu können.

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