Rüdiger Kapitza 60
Von Andreas Heitker, DüsseldorfAls sein Vater ihn 1971 zum Unternehmen Gildemeister schickte, damit er im Anschluss an die Schulzeit erst einmal eine vernünftige Lehre macht, konnte noch niemand auch nur im Entferntesten ahnen, dass der Name Rüdiger Kapitza einmal untrennbar mit diesem Konzern verbunden sein würde. Kapitza hat Gildemeister dann aber über Jahrzehnte geprägt. Sein Name steht für den Aufstieg eines eher mittelständisch geprägten ostwestfälischen Maschinenbauers zu einem profitablen, international ausgerichteten Konzern. Gildemeister heißt heute DMG Mori Seiki und will sich mit seinem gleichnamigen japanischen Partner zusammenschließen. Auch dabei ist Kapitza eine der treibenden Kräfte. Umsatz verfünffachtAls 16-Jähriger startete der heutige Vorstandschef bei Gildemeister. Er machte in Bielefeld eine Ausbildung zum Maschinenanlagenmechaniker und Industriekaufmann. Es folgte ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Paderborn. Seine Diplomarbeit schrieb er über das Marketing bei der Gildemeister Aktiengesellschaft. Bei seiner späteren Promotion in Mainz beschäftigte er sich mit Entscheidungsprozessen im Werkzeugmaschinenbau – Themen, mit denen er auch heute noch tagtäglich zu tun hat.Kapitzas Karriere begann dann im Schweizer Oerlikon-Konzern, für den er acht Jahre arbeitete. Ende der achtziger Jahre kehrte er zu Gildemeister zurück. 1992 wurde er in den Vorstand berufen; vier Jahre später übernahm er den Vorsitz. Kapitza gehört damit zu den dienstältesten Konzernchefs im Kreise der Dax- und MDax-Unternehmen.Bei seinem Start im Vorstand war Gildemeister fast pleite gewesen. In seinem ersten Jahr als Vorstandsvorsitzender 1996 führte er das Unternehmen wieder aus den roten Zahlen heraus. Seither musste lediglich in einem Jahr – 2002 – noch einmal ein kleiner Verlust verbucht werden. Ansonsten schrieb Gildemeister wieder Gewinne, verbunden mit einem stetigen Wachstum. Lag der Umsatz 1996 noch bei umgerechnet etwas mehr als 400 Mill. Euro, so wird 2014 bereits mit einem Volumen von 2,2 Mrd. Euro gerechnet. Der Börsenwert des Konzerns hat sich unter Kapitza von 60 Mill. auf heute rund 2,3 Mrd. Euro erhöht.Kapitza trieb auch die Internationalisierung des Werkzeugmaschinenbauers voran. 2009 bändelte er mit dem japanischen Wettbewerber Mori Seiki an. Es folgten Überkreuzbeteiligungen, die stetig ausgebaut wurden. Im Herbst 2013 benannten sich beide Partner in DMG Mori Seiki um. Die weltweiten Märkte werden unter einem gemeinsamen Brand beliefert. Hatten beide Seiten lange einen langfristigen Zusammenschluss auf Augenhöhe, eine Fusion unter Gleichen in Aussicht gestellt, wurde im Januar unerwartet eine Übernahme durch die japanische Seite angekündigt.Für Kapitza ist der Verlust der Unabhängigkeit aber kein Grund, sentimental zu werden. Mit dem Schritt würden Zukunft und Arbeitsplätze in Deutschland gesichert, sagt er. Ohnehin werde ja nicht nur sein Unternehmen japanisch, sondern auch der japanische Partner europäischer. Mandat bis 2017 verlängertDass Kapitza mit seinem eher dominanten Führungsstil und seiner, wie er auch selbst sagt, “ostwestfälischen Direktheit” ein so harmonisches Verhältnis mit seinem Gegenüber Dr. Masahiko Mori hat aufbauen können, hat einige Beobachter durchaus überrascht. Kapitza selbst verweist darauf, dass die Wege durchaus unterschiedlich sein könnten – die Ziele, die er und Dr. Mori erreichen wollten, aber deckungsgleich seien. Kapitza hat bei Mori Werte ausgemacht, die er selbst ebenfalls hoch schätzt: Dazu gehört vor allem Verlässlichkeit, aber auch Fleiß. Hinter dem Aufschwung, den der Gildemeister-Konzern in den vergangenen Jahren genommen habe, stehe ja ebenfalls vor allem “knallharte und schweißtreibende Arbeit”, sagt der Vorstandschef. Und eine weitere Gemeinsamkeit mit seinem Partner hat er auch festgestellt: Man könne gemeinsam lachen.Für Kapitza war es immer wichtig gewesen, auf eine breite Unterstützung der Stakeholder setzen zu können. Das gilt für gute, aber vor allem auch für weniger gute Zeiten, die es natürlich auch gegeben hat. Anfang 2008 zum Beispiel, als staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Kapitza aufgenommen wurden wegen des Verdachts auf Untreue, Steuerhinterziehung und Bestechung, erhielt er das Vertrauen des Aufsichtsrates und der Aktionäre ausgesprochen. Die Ermittlungen gegen ihn wurden später auch alle ergebnislos wieder eingestellt.Am Dienstag feiert Rüdiger Kapitza seinen 60. Geburtstag. Eine große Party wird es nicht geben. Seinen engsten Freundeskreis hat er eingeladen, um mit ihm zu feiern. In seiner wenigen freien Zeit stehen bei ihm ohnehin Familie und Freunde und weniger irgendwelche Hobbys an erster Stelle.Beruflich hat sich der Bielefelder noch einiges vorgenommen. Kapitza macht noch mindestens drei Jahre als Vorstandschef weiter, um den DMG-Mori-Zusammenschluss begleiten und gestalten zu können. Der Aufsichtsrat hat kürzlich seinen Vertrag bis Ende 2017 verlängert.