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Rumoren in Heidenheim

Von Gerhard Bläske, Stuttgart Börsen-Zeitung, 10.11.2012 Das 1867 gegründete Heidenheimer Familienunternehmen Voith wird für seine High-Tech-Produkte weltweit anerkannt und geschätzt. Doch zuletzt häufen sich die Negativmeldungen: Der für das...

Rumoren in Heidenheim

Von Gerhard Bläske, StuttgartDas 1867 gegründete Heidenheimer Familienunternehmen Voith wird für seine High-Tech-Produkte weltweit anerkannt und geschätzt. Doch zuletzt häufen sich die Negativmeldungen: Der für das Geschäftsjahr 2011/2012 (per 30.9.) angepeilte Umsatzzuwachs von 7,5 % wurde verfehlt, der Gewinn schmolz auf die Hälfte zusammen. Im Gesellschafterkreis grummelt es und im Management gibt es einen Exodus.Das Heidenheimer Unternehmen hat im Papiermaschinengeschäft, dem traditionellen Kernbereich des Unternehmens, 670 Stellen gestrichen. Beobachter sind der Auffassung, der Konzern habe zu lange auf seine bis zu 300 Meter langen High-End-Maschinen gesetzt und den Trend zu kleineren Maschinen des B-Segments verschlafen. Nun wird das Ruder herumgerissen: Durch die lokale Produktion kleinerer Maschinen, vor allem in China, will Voith wieder Anschluss finden.Eine ähnliche Entwicklung könnte bei den Wasserturbinen drohen, unken Insider. “Wir machen großartige Maschinen für Kraftwerke von gestern, haben aber keine Antwort für die Bedürfnisse von morgen”, sagt ein Spitzenmanager. Voith liefert etwa Riesenturbinen für die gesellschaftlich und ökologisch umstrittenen Riesen-Staudammprojekte in Belomonte (Brasilien) und den Drei-Schluchten-Damm in China. Chef in der KritikDie Stimmung ist miserabel, heißt es intern. “Da herrscht ein Klima der Angst und des Misstrauens”, sagt ein Manager und macht dafür Konzernchef Hubert Lienhard (62) verantwortlich. Der promovierte Chemiker war 2001 über Lurgi und ABB zu Voith gekommen und ist intern wegen seiner emotionalen Ausbrüche und seiner Führungsmethoden gefürchtet.2008 wurde er als Nachfolger Hermut Kormanns Konzerngeschäftsführer der Voith GmbH. Sein Vertrag bei dem mit einem Umsatz von 5,6 Mrd. Euro und 40 000 Mitarbeitern zu Europas größten Familienunternehmen zählenden Konzern wurde gerade um fünf Jahre verlängert.Doch unter den Gesellschaftern – im Wesentlichen die vier Familienstämme Schily, Hammacher, Schweppenhäuser und Gorsch – soll das Unbehagen über den Kurs des Konzernchefs wachsen. Denn der Gewinn hat sich im vergangenen Geschäftsjahr auf 100 Mill. Euro halbiert. Schon vorher war die Nachsteuerrendite von 3 % im Vergleich zu der von Konkurrenten wie Andritz (5 %) oder Metso (5,5 %) nicht gerade üppig. Vorsitzender des prominent besetzten Aufsichtsrats von Voith ist Dr. Manfred Bischoff, der auch das Kontrollgremium der Daimler AG anführt. Ärger im FührungskreisAuch im Management soll es Widerstand gegen Lienhard geben. So musste der hoch geschätzte Geschäftsführer der Bereichs Turbo, Peter Edelmann (52), gehen. Er hatte unter anderem die noch unter Vorlaufverlusten leidende, aber sehr erfolgreiche Lokomotiv-Fertigung in Kiel aufgebaut, mit der man Wettbewerber Vossloh einen Großauftrag der Deutschen Bahn über 130 Loks wegschnappte. Offiziell wurden für den Weggang, der von einigen Gesellschaftern abgelehnt wurde, “persönliche Gründe” angegeben.In der Folge gingen auch Jürgen Zeschky, ebenfalls aus dem Bereich Turbo, der zum Windturbinenbauer Nordex wechselte, sowie Volker Zimmermann. Viele Führungskräfte aus der zweiten und dritten Ebene wurden ausgewechselt. Allein im Bereich Turbo waren das etwa 20 von 80 leitenden Angestellten. Andere ziehen die Konsequenzen aus der jüngsten Entwicklung und verlassen das Unternehmen. Personalberater sprechen von einem regelrechten Exodus. Know-how-Verlust drohtEtliche Manager im Unternehmen fürchten einen allmählichen Know-how-Verlust in dem Unternehmen, das bis dato bis zu 400 Patente pro Jahr angemeldet hat. “Wenn das so weitergeht, sind wir in fünf Jahren am Boden”, sagt eine Führungskraft, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will.Um der Kritik einiger Vertreter der sechsten Generation der Nachkommen des Familienstammes Hanns Voith zu begegnen und höhere Dividenden auszuschütten, habe Lienhard das Investitionsprogramm drastisch zusammengestrichen und so den Free Cash-flow aufgeblasen. Das mag kurzfristig funktionieren, heißt es im Unternehmen: “Langfristig werden so aber unsere Ertrags- und Marktchancen gefährdet.”