Niederlande

Rutte zieht sich aus der Politik zurück

In seiner Heimat nennt man ihn "Teflon-Mark", in Brüssel "Mr. No": Der Niederländer Mark Rutte ist einer der dienstältesten Regierungschefs Europas. Sein Abgang ist eine Zäsur.

Rutte zieht sich aus der Politik zurück

Rutte zieht sich aus der Politik zurück

rec Brüssel

Mit dem plötzlichen Bruch der Regierungskoalition in den Niederlanden geht auch die Ära von Regierungschef Mark Rutte absehbar zu Ende. Genauso unvermittelt, wie über das Wochenende Neuwahlen nötig geworden sind, kündigte Rutte am Montag das Ende seiner politischen Karriere vor den im Herbst bevorstehenden Neuwahlen an. „Ich werde die Politik verlassen“, sagte Rutte am Montagvormittag vor Reportern.

Ruttes Rückzug aus der Politik ist eine Zäsur – für sein Heimatland und auch für die Europäische Union. Der Konservative regiert die Niederlande seit 2010 in wechselnden Koalitionen. Er ist einer der dienstältesten Regierungschefs in der gesamten EU und gilt als gewiefter Kenner der komplexen Machtverhältnisse im Kreise der 27 EU-Staaten.

Die Ankündigung des 56-Jährigen ist der vorläufige Höhepunkt eines politischen Dramas, das sich binnen weniger Tage in den Niederlanden mit voller Wucht entfaltet hat. Unmittelbar vor dem Wochenende zerbrach Ruttes Regierungskoalition an einem Streit über die Migrationspolitik. Am Samstag informierte Rutte König Willem-Alexander über das Scheitern der Regierung. Da deutete er noch Bereitschaft für eine fünfte Amtszeit an.

„Teflon-Mark“ und „Mr. No“

Im Laufe des Sonntags, so ließ Rutte durchblicken, ist er zu einem anderen Schluss gekommen. Völlig überraschend kündigte er an, bei der Neuwahl im November nicht mehr anzutreten. Damit wurde ein Misstrauensvotum hinfällig, das die Opposition für Montag beantragt hatte. Stattdessen kündigte Rutte an, nicht nur als Ministerpräsident, sondern zugleich als Vorsitzender seiner konservativen Partei VVD abzutreten, die er seit
17 Jahren führt.

Rutte gilt als politischer Überlebenskünstler. Er war in den 13 Jahren seiner Zeit an der Regierungsspitze mit einer Vielzahl von Krisen, Rückschlägen, Politaffären konfrontiert. Stets fand Rutte einen Ausweg, wenn es nicht rund lief und die Regierung auf der Kippe stand. Diese Widerstandsfähigkeit hat ihm den Spitznamen „Teflon-Mark“ eingetragen.

Auch in Brüssel hat Rutte einen Spitznamen, wenn auch einen weniger schmeichelhaften: „Mr. No“. Er steht einer Verlagerung von mehr und mehr Kompetenzen in die EU-Hauptstadt grundsätzlich skeptisch bis ablehnend gegenüber. Charmant im Auftritt, resolut in der Sache: So tritt er beispielsweise im Umgang mit Geld auf. Rutte ist ein Verfechter solider Staatsfinanzen und lässt das seine Kollegen auch wissen.

In der Coronakrise gehörte er zu den Wortführern der „sparsamen fünf“, die gegen allzu freigiebige Hilfspakete aufbegehrten. Wegen seiner Hartleibigkeit geriet er schon mal mit Kollegen aneinander. Allerdings vermissen diese klare Kante seit einiger Zeit manche, denen es um verbindliche Schuldenregeln in Europa geht. In der öffentlichen Auseinandersetzung darüber hält Rutte sich zurück.

Zuletzt tat sich Rutte eher mit dem Thema Migration hervor. Zusammen mit der Italienerin Giorgia Meloni machte er sich für den neuen, restriktiveren Migrationspakt stark. Insofern ist es von gewisser Tragik, dass ausgerechnet sein Kurs in der Migrationspolitik sein politisches Ende besiegelt.

Immer wieder wird sein Name für Topjobs in der europäischen oder internationalen Politik gehandelt, etwa für die Nachfolge von Nato-Chef Jens Stoltenberg. Solche Ambitionen dementierte Rutte am Montag energisch. Seine Zukunft ließ der Historiker offen. Aber mit seinem Rückzug aus der Politik scheint es ihm ernst zu sein.

In seiner Heimat nennt man ihn „Teflon-Mark“, in Brüssel „Mr. No“: Der Niederländer Mark Rutte ist einer der dienstältesten Regierungschefs Europas. Sein Abgang ist eine Zäsur.

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