„Schibu“ feiert sein Comeback
„Meinen 80. Geburtstag werde ich nicht feiern“, sagt Heinz Schimmelbusch in seinem Büro in einer Villa in der Liebigstraße im Frankfurter Westend. „Meine Frau wollte es gerne. Aber die Reden wären alle so vergangenheitsorientiert. Das will ich nicht.“ Also gibt es am Montag (15. Juli) keine Party. Dabei gäbe es ein Comeback zu feiern.
„Schibu“ feiert sein Comeback
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Es hat ein bisschen gedauert. Aber etwas mehr als 30 Jahre nach der Pleite der Metallgesellschaft und seiner überstürzten Flucht aus Frankfurt hat der ehemalige Vorstandschef des Konglomerats – Spitzname „Schibu“ – den alten Industriekonzern wieder nachgebaut. Die Größenverhältnisse sind die eines Spielzeug-Rennautos im Vergleich zu einem echten Sportwagen. In der Sache geht es indes wieder um dasselbe. Ein integrierter Metall- und Recyclingkonzern. Er heißt AMG Critical Materials und unterscheidet sich im Namen also nur um einen Buchstaben von der alten MG. Der kleine Konzern, als dessen Chairman und CEO Schimmelbusch fungiert, notiert in Amsterdam an der Börse und hat seinen Hauptsitz in Pennsylvania. Das Kerngeschäft mit fast 1.000 der insgesamt 3.600 Beschäftigten sitzt in Hanau. Alles dreht sich um die Gewinnung, Verarbeitung und das Recycling der Batterierohstoffe Lithium und Vanadium – und neuerdings auch um das Recycling von Brennstäben.
Baustein für Baustein hat Schimmelbusch in den vergangenen 30 Jahren zumindest für sich selbst und zumindest zum Teil das wieder aufgebaut, was damals eingestürzt war. Als sich 1993 bei Öltermingeschäften der Metallgesellschaft eine massive Schieflage ergab, trug der Milliardenverlust aus dem Verkauf der Kontrakte zusammen mit den Schulden aus der Akquisitions-Einkaufstour des Konglomerats mit 62.000 Beschäftigten dazu bei, dass akut die Zahlungsunfähigkeit drohte. Dafür wollte die Deutsche Bank Schimmelbusch verantwortlich machen, der selbst wiederum den damaligen MG-Aufsichtsratschef Ronaldo Schmitz von der Deutschen Bank in der Verantwortung sieht, weil er ihn zum Verkauf der Kontrakte gezwungen habe.
Streit mit der Deutschen Bank
Schimmelbusch musste seinen Posten an den Sanierer Kajo Neukirchen abgeben. Er selbst floh zunächst nach New York und suchte dann Unterschlupf bei seiner Mutter in Wien. Erst nach drei Jahren kehrte er nach Deutschland zurück, um auf der Basis von 900 Seiten Aktenmaterial einen Vergleich mit den Anwälten der Deutschen Bank zu schließen. „Der Vergleich hat letztlich nur eine halbe Stunde gedauert. Dann haben sie alle 25 Anklagepunkte fallen gelassen. Sie hatten bis dahin nur diffamiert, aber keine Gelegenheit zur Klärung gegeben“, sagt Schimmelbusch.
Das war die Vergangenheit, jetzt kommt die Zukunft: Im September eröffnet AMG die erste Raffinerie für batteriefähiges Lithium in Europa, das bisher überwiegend aus China kommt. Und in Sachsen treibt AMG die Erschließung des „Zinnwald“-Projektes voran – das wohl größte Lithium-Vorkommen in Europa.
Für das Jahr 2024 hat Schimmelbusch, der den AMG-Konzern voraussichtlich noch ein Jahr lang führen wird und hauptsächlich in den USA lebt, den Investoren auf dem Kapitalmarkttag im März 2023 bei 1,7 Mrd. Dollar Umsatz einen operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 500 Mill. Dollar in Aussicht gestellt. Tatsächlich werden es wohl nur 130 Mill. Dollar werden, weil die Lithium-Preise seither um 80% gefallen sind, und das hat auch den AMG-Kurs kräftig fallen lassen. Die Marktkapitalisierung des Konzerns, an dem Schimmelbusch weniger als 5% der Anteile hält, hat sich binnen zwölf Monaten auf 500 Mill. Euro halbiert.
Lithium-Preise fallen
Wie passt die Position von Schimmelbusch als Chairman und CEO des AMG-Konzerns mit seinem Alter zusammen? „Ich denke natürlich darüber nach, wie das geht mit dem Alter“, räumt Schimmelbusch ein. „Es gibt eine Nachfolgestruktur. Wir haben das vorbereitet. Ein Jüngerer wird in die Lage versetzt, mich zu ersetzen.“ AMG hatte Schimmelbusch im Mai 2023 für eine Amtszeit von zwei Jahren wieder bestellt.
Zum 40. Geburtstag hatte Schimmelbusch als Vorstand noch einen besonders herzlichen Glückwunsch von Metallgesellschafts-Aufsichtsratschef Wilfried Guth bekommen. Der Bankmanager sowie Neffe von Ludwig Erhard und gleichzeitig auch Aufsichtsratschef der Deutschen Bank wünschte dem jungen MG-Chef in einem Schreiben mit Datum vom 13. Juli 1984 „Glück, Gesundheit und Befriedigung aus Ihrem Wirken“. Zum 50. Geburtstag war Schimmelbusch dann gleichsam auf der Flucht, feierte aber im Philadelphia Art Museum ein rauschendes Fest. Den 60. Geburtstag ließ er ungefeiert verstreichen. Der 70. Geburtstag wurde in der Villa Bonn, einem gründerzeitlichen Palais im Frankfurter Westend wieder gebührend gefeiert. Den 80. Geburtstag lässt er nun öffentlich abermals ungefeiert. Das heißt, zum 90. Geburtstag wird eine besonders große Party fällig.