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Sergio Marchionne hat 2018 bei Fiat fertig

Von Peter Olsen, Frankfurt Börsen-Zeitung, 9.10.2014 Er ist umstritten, immer für eine Schlagzeile gut, mitunter witzig, oft launisch - ja, er trägt wirklich meist schwarze Pullover, und mit dem Rasieren hat er es auch nicht so: Sergio Marchionne,...

Sergio Marchionne hat 2018 bei Fiat fertig

Von Peter Olsen, FrankfurtEr ist umstritten, immer für eine Schlagzeile gut, mitunter witzig, oft launisch – ja, er trägt wirklich meist schwarze Pullover, und mit dem Rasieren hat er es auch nicht so: Sergio Marchionne, seit 2004 Chef und Retter des italienischen Autobauers Fiat, hat tatsächlich seinen Rückzug angekündigt. Aber gemach, so weit soll es erst nach Umsetzung des Turnaround-Plans für die neue Fiat Chrysler Automobiles (FCA) Ende 2018 sein. Noch vor zwei Jahren sagte er auf Gerüchte, er könne bald aufhören: “Bis 2015 passiert erst mal nichts – außer ich werde von einem Bus überfahren.” Lasst die jungen Wilden ranDer 62-Jährige hat in einem gemeinsam mit Verwaltungsratschef John Elkann mit “Bloomberg Businessweek” geführten Interview auch keinen Zweifel daran gelassen, dass er in dieser Zeit nicht als lahme Ente, sondern höchst aktiv agieren will.Dennoch: “Ich bin fertig – lasst einen der jungen Wilden heran”, ein Statement, das für sich spricht. Dabei raucht der Italo-Kanadier Muratti-Zigaretten und nippt am Espresso. Der 38-jährige Elkann, der über die Holding Exor die Interessen der Agnelli-Familie als Fiat-Großaktionär (30 %) vertritt, baute sogleich vor. Er stehe nicht für die Nachfolge Marchionnes zur Verfügung. Die Familie wolle auch langfristig bei dem gerade fusionierten Autokonzern, dessen Aktien vom 13. Oktober auch in New York gehandelt werden sollen, engagiert bleiben. “Ich bin kein Verkäufer”, so Elkann im Interview. Weitere KonzentrationAllerdings würde die Familie eine Verwässerung der Beteiligung hinnehmen, sollte sich Fiat Chrysler in einen größeren Zusammenhang begeben. Und Marchionne, der seit Jahr und Tag der weiteren Konzentration in der nach seiner Ansicht noch immer viel zu stark fragmentierten Autobranche das Wort redet, spricht erneut davon, dass eine neue Nummer 1 vor Toyota denkbar sei. Die Branche stehe unter Margendruck wegen der immensen Summen, die für die Entwicklung neuer Fahrzeuge investiert werden müssten.FCA steht derzeit auf Rang 7. Von 4,4 Millionen Fahrzeugen im vergangenen Jahr ausgehend will Marchionne bis 2018 Fiat Chrysler auf 7 Millionen Auslieferungen hochbringen. Dazu werden beispielsweise allein bei der hauseigenen Premiummarke Alfa Romeo 5 Mrd. Euro in neue Modelle gesteckt.An einer weiteren Konsolidierung in der Branche würde sich FCA in den nächsten fünf bis zehn Jahren beteiligen, wenn sie sinnvoll sei, ergänzte Elkann. Beide Manager zeigten sich aber darin einig, dass FCA auch alleine weitermachen könne und sich mit Unternehmen, die außerhalb des überbesetzten europäischen Marktes etwas zu bieten haben, gegebenenfalls verbünden könne.Er, so Marchionne, werde nach seiner Fiat-Zeit definitiv etwas anderes machen. Mit Sanierungsjobs werde er sich jedenfalls nicht mehr beschäftigen. Mit dann 14 Jahren Amtszeit hätte es Marchionne auf dem einstigen Schleudersitz in Turin weit länger ausgehalten, als man es ihm zu Beginn zugetraut hatte.Als Marchionne 14 Jahre alt war, wanderte seine Familie nach Kanada aus. Nach Studium von Betriebswirtschaftslehre, Jura und Philosophie trat er 1983 bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche ein. Der Allrounder wurde später Chef von Alusuisse, übernahm dann die Führung der abgespaltenen Lonza und wurde 2002 Chef des Warenprüfkonzerns SGS in Genf. Seine Sanierungsleistung dort fiel Umberto Agnelli auf, der ihn zunächst bei Fiat in den Aufsichtsrat holen wollte. Mann mit zwei GehirnenDann folgte die Berufung an die Fiat-Spitze. Ohne ihn, da sind sich die Experten einig, gäbe es den Autobauer heute nicht mehr. Mit seinen Forderungen nach grundlegenden Änderungen im Fiat-Konzern eckte er bei Management, Belegschaft und Politik an und wurde zugleich als der “Mann mit den zwei Gehirnen” gefeiert. Auch mit Wettbewerbern wie Volkswagen legte er sich regelmäßig an, bis 2018 wird Marchionne wohl noch oft genug Gelegenheit für solche Scharmützel finden.Aber er zeigte sich zugleich immer offen für Kooperationen, selbst wenn manche wie mit Daimler nicht zustande kamen. Seine Meisterleistung war es wohl, Chrysler just in schwieriger Zeit mit wenig Geld übernehmen zu können, nachdem die Stuttgarter zuvor die Segel in Auburn Hills streichen mussten.