Vorstandsaufruf

Spitzenmanager kritisieren Wahlrechts­reform

In den Vereinigten Staaten wächst der öffentliche Widerstand von Spitzenmanagern und Großkonzernen an der als rassistisch kritisierten jüngsten Wahlrechtsreform im südlichen Bundesstaat Georgia – einem der größten Investitionsstandorte deutscher...

Spitzenmanager kritisieren Wahlrechts­reform

Von Norbert Kuls, New York

In den Vereinigten Staaten wächst der öffentliche Widerstand von Spitzenmanagern und Großkonzernen an der als rassistisch kritisierten jüngsten Wahlrechtsreform im südlichen Bundesstaat Georgia – einem der größten Investitionsstandorte deutscher Unternehmen in den USA. Mehr als 70 prominente afroamerikanische Wirtschaftsvertreter, da­runter Paula Price, seit vergangenem November Verwaltungsrätin der Deutschen Bank in New York, haben in einer ganzseitigen Anzeige der „New York Times“ ihre Kollegen in amerikanischen Unternehmen zum öffentlichen Widerstand gegen „diskriminierende Gesetzgebung und Maßnahmen“ aufgefordert, die auf eine Einschränkung des Wahlrechts hinauslaufen. Zu den Initiatoren des Protestes gehörten Kenneth Chenault, der ehemalige Vorstandschef des Finanzriesen American Express, Kenneth Frazier, CEO des Pharmakonzerns Merck, Mellody Hobson, Co-Chefin der Fondsgesellschaft Ariel und seit kurzem Verwaltungsratsvorsitzende der Kaffeekette Starbucks, sowie Edith Cooper, die ehemalige Personalchefin und erste afroamerikanische Partnerin der Investmentbank Goldman Sachs.

Coca-Cola, Delta, Porsche

Zahlreiche Firmen mit einer Zen­trale in Georgia sprachen sich danach mehr oder weniger direkt gegen die Wahlrechtsreform aus. Der Getränkekonzern Coca-Cola und die Fluggesellschaft Delta Air Lines, die beide in der Metropole Atlanta beheimatet sind, kritisierten das Gesetz als „nicht akzeptabel“. Auch in Georgia beheimatete Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen wie Mercedes-Benz und Porsche betonten die Bedeutung freier Wahlen. Mercedes-Benz „wehre sich gegen Bestrebungen, Wahlberechtigte davon abzuhalten, sich an diesem so wichtigen Prozess zu beteiligen“, hieß es in einer Stellungnahme des Autobauers. „Gleicher Zugang zu Wahllokalen für alle Wähler ist der Kern einer Demokratie“, hieß es beim Konkurrenten Porsche. Deutsche Unternehmen spielen eine wichtige Rolle in Georgia. Nach offiziellen Angaben sind mehr als 800 deutsche Firmen in Georgia ansässig, die dort rund 36000 Mitarbeiter beschäftigen.

Die kürzlich verabschiedete Wahlrechtsreform im traditionell republikanischen Georgia erschwert die Möglichkeiten, per Briefwahl abzustimmen, und verkürzt teilweise die Öffnungszeiten der Wahllokale. Zudem ist es künftig verboten, in Schlangen stehende Wähler anzusprechen und ihnen Wasser anzubieten. Ziel der Reform ist nach Ansicht von Kritikern, die Wahlbeteiligung von Minderheiten zu drücken, nachdem bei den jüngsten Senatswahlen erstmals zwei demokratische Kandidaten gewonnen hatten.

Manager äußern sich aktiver

Afroamerikaner, die rund ein Drittel der Bevölkerung in Georgia stellen, wählen überwiegend Demokraten. Mit dem Pastor Raphael Warnock wurde zudem zum ersten Mal ein Afroamerikaner in Washington Senator aus Georgia. Republikaner wie Georgia-Gouverneur Brian Kemp argumentieren, die Wahlen mit den neuen Initiativen sicherer zu machen. Der ehemalige Präsident Donald Trump hatte nach seiner Wahlniederlage im November ohne Beweise von „weit verbreitetem Wahlbetrug“ gesprochen und Druck auf den Wahlleiter ausgeübt, das Ergebnis zu revidieren.

Manager von Unternehmen und Banken äußern sich in jüngster Zeit verstärkt zu gesellschaftlichen Kon­troversen. Das gilt für die Proteste wegen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner und die sich häufenden Hassattacken gegen Amerikaner mit asiatischen Wurzeln. Parallel dazu gibt es in der Wirtschaft Initiativen für stärkere Vielfalt und die Einbeziehung von Frauen und Minderheiten.

Reaktion auf Boykottaufrufe

Getrieben wird das sowohl von Mitarbeitern als auch von Kunden. So äußerten Coca-Cola und Delta ihre scharfe Kritik an der Wahlrechtsreform erst, nachdem es Boykottaufrufe gegeben und die schwarzen Spitzenmanager ihre Anzeige geschaltet hatten. Delta-CEO Ed Bastian hat nach eigenen Angaben erst nach Gesprächen mit afroamerikanischen Mitarbeitern die Beschränkungen des Gesetzes „vollständig“ verstanden. „Das Gesetz entspricht nicht den Werten von Delta“, sagte er.