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Stada-Chef Retzlaff noch nicht reif für die Rente

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 7.8.2015 Hartmut Retzlaff, seit 1993 Vorstandsvorsitzender des Pharmakonzerns Stada, wird seinen Vertrag um weitere fünf Jahre bis August 2021 verlängern. Zwar ist das noch nicht amtlich, doch der...

Stada-Chef Retzlaff noch nicht reif für die Rente

Von Sabine Wadewitz, FrankfurtHartmut Retzlaff, seit 1993 Vorstandsvorsitzender des Pharmakonzerns Stada, wird seinen Vertrag um weitere fünf Jahre bis August 2021 verlängern. Zwar ist das noch nicht amtlich, doch der Aufsichtsrat und er sind sich einig, deutete der Manager in einer Telefonkonferenz mit Journalisten an. Sein Vertrag läuft am 31. August 2016 aus, so dass derzeit Gespräche mit dem Aufsichtsrat geführt werden. Es herrsche Konsens über die zukünftige Strategie des Unternehmens. “Das ist die Basis dafür, dass man weiterhin zusammenarbeiten möchte”, ergänzte Retzlaff. Er traue es sich “körperlich und geistig” zu, auch weitere fünf Jahre an Bord zu bleiben, kokettierte der 61-Jährige. Seine beiden Vorstandskollegen, die er jüngst als potenzielle Nachfolger ins Gespräch brachte, müssen sich also in Geduld üben.Retzlaff, der seine Berufslaufbahn als Pharmareferent startete, ist ein Urgestein im Generikageschäft und ein ausgewiesener Vertriebs- und Marketingprofi. Im Jahr 1986 stieß er zu dem einst in Dresden als Apothekergenossenschaft – “Standardpräparate Deutscher Apotheker” – gegründeten Unternehmen. Unter seiner Ägide hat der Konzern eine fulminante Expansion hingelegt von 200 Mill. D-Mark Umsatz auf heute 2 Mrd. Euro. Das internationale Geschäft wurde in großen Schritten ausgebaut mit einem Schwerpunkt Osteuropa. Und Stada forciert angesichts der schwierigeren Marktbedingungen für Nachahmermedikamente im Heimatmarkt seit ein paar Jahren das Geschäft mit Markenprodukten wie dem Erkältungsmittel Grippostad, der Sonnenschutzlotion Ladival oder der Gelenksalbe Mobilat. KämpfernaturMit der starken Präsenz in Osteuropa, also in Märkten mit hohen Wachstumschancen, aber auch beträchtlichen Risiken, hat sich das Stada-Management manche blutige Nase eingefangen – Blessuren gehören für Retzlaff aber zum Kämpfen dazu, wie er einmal in einem Interview sagte. In Serbien musste der Konzern vor Jahren hohe Abschreibungen vornehmen, weil lokale Großhändler in Liquiditätsnöte geraten waren. Zudem drückt die Schwäche des Dinar. In Russland, wo sich das MDax-Unternehmen mit Akquisitionen als zweitgrößter regionaler Hersteller positionierte, leidet das Geschäft unter der Konjunkturkrise. Der Markt ist von Selbstzahlern geprägt mit einem stattlichen Sortiment an Lifestyle-Produkten. Nach einem drastischen Nachfragerückgang im ersten Quartal auch in Rubel gerechnet spricht Stada nun nach einem Plus von 18 % im zweiten Quartal von Stabilisierung und bekräftigt die Erwartung einer Trendwende im russischen Markt. Mindestens 17 % Wachstum sollen es im Putin-Reich 2015 werden, das muss erreichbar sein, sagte Retzlaff und zeigte sich wie gewohnt selbstbewusst. Finanzvorstand Helmut Kraft hatte die Erwartungen zuvor auf eine knapp zweistellige Größenordnung gedämpft, aber “Finanzer sind nun mal etwas vorsichtiger”, kommentiert der Firmenchef.Auch wenn Retzlaff, dessen Sohn Steffen im Konzern arbeitet, nach langem Managerleben noch nicht reif für den Ruhestand oder den Aufsichtsrat ist, vorgesorgt wäre. Seine lange Dienstzeit und das exorbitante Wachstum der Gesellschaft haben Pensionsansprüche aufgetürmt, die diejenigen manches altgedienten Dax-Chefs in den Schatten stellen. Nachdem der Aufsichtsrat wegen der Gewährung der üppigen Altersversorgung zunehmend in die Kritik geriet, zog man die Reißleine und entledigte sich zugleich aller künftigen Querelen, indem 32 Mill. Euro in einen externen Pensionsfonds gesteckt wurden – ohne weitere künftige Verpflichtungen. Die Zusagen tauchen somit nicht mehr in der Bilanz und dem Vergütungsbericht auf.Ein Nachspiel im Licht der Öffentlichkeit könnte das Versteckspiel gleichwohl haben, will doch der Governance-Experte Christian Strenger das Verhalten des Aufsichtsrats zum Gegenstand einer Sonderprüfung machen. Aus Sicht des Kritikers hat das Gremium mit der gewährten Entlohnung für 2014 und der Übertragung der Pensionsansprüche gegen die gesetzlich geforderte Angemessenheit der Vergütung “intensiv verstoßen”. Mit dem Antrag auf Sonderprüfung, den Auftrag soll der Frankfurter Hochschullehrer Hans-Joachim Böcking übernehmen, war Strenger erwartungsgemäß auf der Hauptversammlung gescheitert, weil die meisten Aktionäre auf das kurzfristig eingereichte Ansinnen nicht mehr reagieren konnten. Nun ist Strenger dabei, die notwendigen Mitstreiter für einen gerichtlichen Antrag zu finden.