New Space

Zwei junge Gründer mit Faszination fürs Weltall

Dcubed und Reflex Aerospace gehören zu den meistversprechenden deutschen Startups. Die Faszination fürs All waren wichtige Antriebsfedern für die beiden Gründer – aber auch Frustration.

Zwei junge Gründer mit Faszination fürs Weltall

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Zwei junge Gründer mit Faszination fürs Weltall

Dcubed und Reflex Aerospace gehören zu den vielversprechendsten deutschen Space Startups

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Von Gesche Wüpper, Paris

Einer Sache war er sich immer sicher. „Es musste etwas mit dem All sein“, sagt Thomas Sinn. Immerhin ist er in Lampoldshausen aufgewachsen - dort, wo das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Raketenantriebe testet. Dagegen habe er sich eigentlich geschworen, kein Startup zu gründen, berichtet er im Gespräch mit der Journalistenvereinigung AJPAE. Denn sein Bruder habe nach dem Informatikstudium mehrere Startups gegründet und er habe dabei gesehen, wie schwierig die finanzielle Situation für Jungunternehmen sein kann.

Und doch steht Sinn heute an der Spitze von Dcubed, einem der vielversprechendsten Space Startups in Europa. Der Zulieferer aus München, der entfaltbare Strukturen für Satellitenhersteller produziert, steht zwar nicht so sehr im Rampenlicht wie Microlauncher-Startups wie Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg - beides Kunden von Dcubed. Doch er gilt als Pionier für das sogenannte In Space Manufacturing von Solarpanelen, also ihrer Herstellung im All.

Satelliten aus dem Drucker

Zwar werden auf der Internationalen Weltraumstation ISS bereits Teile mit Hilfe von 3D-Druckern produziert. Doch bisher haben noch keine kleinen Satelliten strukturelle Komponenten im freien All hergestellt. Dcubed will nun als erster Akteur weltweit im Juni zeigen, dass dies mit Hilfe von 3D-Druckern möglich ist. Im Februar 2025 dann will das 2019 gegründete Startup mit der Herstellung eines Solarpanels im Weltall eine weitere Welt- oder besser gesagt All-Pemiere aufstellen.„Die Idee ist, ein Untersystem auf dem Satelliten zu haben, das das Solarpanel entfalten und drucken kann“, sagt Sinn, der sich für seine Doktorarbeit in Schottland mit entfaltbaren Strukturen beschäftigt hat. Nach dem Abitur hatte er zunächst in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik studiert. „Aber nach drei Jahren war ich frustriert, wie langsam das in Deutschland geht und bin deshalb in die USA gegangen.“

Frustrierend Entwicklung in Europa

Während einige seiner Kommilitonen nach dem Studium in Kansas bei Space X begannen, hat Sinn nach der Doktorarbeit zunächst bei der ESA (European Space Agency) begonnen. Doch auch dort war er schnell frustriert, „weil die Behörde nur überwacht, was die Industrie macht“. Deshalb wechselte er in die Industrie zu HPS (High Performance Space Structure Systems), einem auf entfaltbare Strukturen und Weltraumschrott spezialisierten Unternehmen in München.

Dass Sinn dann Ende 2018 sein eigenes Unternehmen gründete, hat er eigentlich einem Freund zu verdanken, der für die „It‘s business time“-Mission von Rocket Lab in Neuseeland arbeitete, für die Sinn einen Auslösemechanismus für ein Experiment mit einer entfaltbaren Struktur entwickeln sollte. Er hatte dafür gerade mal drei Monate Zeit. Er kaufte eine 3D-Drucker und machte sich an die Arbeit. Das Experiment gelang. Daraus entstand die Idee, mit Deployables Cubed - so der offizielle Name - kostengünstige, schnell verfügbare Auslösemechanismen vor allem für kleine Satelliten anzubieten. Inzwischen hat das Startup 35 Mitarbeiter und 18 Kunden aus vier Kontinenten. Der Wunsch, selber etwas zu bewegen, ist auch die Antriebskraft von Walter Ballheimer, dem Mitgründer und Chef von Reflex Aerospace, einem anderen Space Startup. Nach dem Studium der Luft- und Raumfahrtwissenschaften an der Technischen Universität Berlin hatte er dort zunächst zu lehren begonnen, doch dann schon relativ bald 2014 sein erstes eigenes Unternehmen gegründet, German Orbital Systems, den ersten deutschen Anbieter von Cube Sats, kleinen, quaderförmigen Satelliten. Parallel dazu arbeitete er als Chief Technology Officer von Exolaunch, einem Launchprovider.

Kunden von vier Kontinenten

„In den USA hat es die ersten CubeSat-Unternehmen schon zehn Jahre davor gegeben“, berichtet er. In den letzten Jahren seien jedoch vor allem in Osteuropa immer mehr CubeSat-Startups entstanden, so dass er angefangen habe, sich für größere Satelliten zu interessieren. Daraus entstand dann die Idee für Reflex Aerospace. Das 2021 gegründete Startup mit Sitz in Berlin und München will mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und 3D-Druckern Satelliten-Plattformen schnell und günstig bauen, einem Markt der lange Zeit von wenigen, alteingesessenen Konzernen wie Airbus, OHB oder Lockheed Martin dominiert wurde. Der erste Satellit von Reflex Aerospace soll im Herbst fliegen.

Der persönliche Space X-Moment von Walter Ballheimer

Europa denkt nicht groß genug

„Ich hatte meinen persönlichen Space X-Moment“, erzählt Ballheimer. „Als ich ein Werk von Space X in den USA besichtigt habe, ist mir klar geworden, dass wir in Europa nicht groß genug denken.“ Ballheimer hatte dann nach eigenen Angaben Glück, den Investor Bulent Altan zu überzeugen, einen früheren Mitarbeiter von Space X. Altan gehört zu den Gründungspartnern von Alpine Space Ventures, einem auf New Space spezialisierten Investmentfonds aus München.

Mehr Interesse von Investoren

Das meiste Geld für Space Startups komme immer noch von außerhalb Europas, sagt Dcubed-Gründer Sinn. Doch das Interesse europäischer Investoren steige, ergänzt Ballheimer. „Es gibt eine Mange Verteidigungsfonds, die jetzt in Space investieren.“ Während in Frankreich die nationale Raumfahrtagentur CNES Startups unterstützt, werden die deutschen von der ESA gefördert. Gerade in und um Paris gebe es auch einige Space-Investoren, berichtet Sinn. „Die Ereignisse in der Ukraine haben gezeigt, dass Space wichtig ist“, sagt Ballheimer. „Satelliten sind das Rückgrat von allem. Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts.“

Thomas Sinn (links) hat Dcubed gegründet, einen Pionier für In Space Manufacturing, Walter Ballheimer den Satellitenspezialisten Reflex Aerospace.

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