Fußball-FinanziersMartin Kind, Hannover 96

Streitbar und umstritten

Martin Kind ist ein erfolgreicher Unternehmer. Als Investor beim Fußballclub Hannover 96 ist er eher streitbar und umstritten. Das bringt ihn regelmäßig in die Schlagzeilen, zuletzt in der Diskussion über die Vergabe von TV-Rechten durch die DFL.

Streitbar und umstritten

Streitbar und umstritten

Von Carsten Steevens, Hamburg

Ende April vollendet Martin Kind sein 80. Lebensjahr. Er könnte längst kürzertreten. Doch Ruhestand ist nichts für den Vater zweier Söhne und Großvater. Da ist zum einen die Rolle als Hörgeräte- und Augenoptikunternehmer, die ihn nicht loslässt, auch wenn die im Rahmen einer Schenkung übertragenen Retail-Aktivitäten der Kind GmbH & Co. KG inzwischen der ältere Sohn Alexander führt – ebenso wie den Herstellungsbetrieb Audifon.

In das operative Geschehen greift Kind nach eigenem Bekunden nicht ein, im Unternehmen lebt er gleichwohl weiterhin mit. An Entscheidungen sei er stark interessiert, in den Informationsfluss eingebunden, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Ich brauche Informationen und Zahlen, das ist für mich wie eine Blutzufuhr.“ Er sei nun mal, so fügt er hinzu, jemand, der gerne arbeite, Verantwortung trage und entscheide –- „und das Ganze möglichst ergebnis- und erfolgsorientiert“.

Expandiert

Dass ihn die Zukunft seiner Firma unverändert beschäftigt, liegt da auf der Hand. Einer Firma, die Kind nach zwei Lehren bei Siemens 1970 als Hörgeräte-Fachgeschäft mit einem Umsatz von 200.000 DM und zwei Mitarbeitern von seinen Eltern übernahm und die zu einem in zwölf Ländern präsenten Filialunternehmen mit rund 4.000 Beschäftigten gewachsen ist. Seit 2016 expandiert Kind auch im Augenoptikgeschäft. Beim Umsatz steuert die Gesellschaft auf die mittlere dreistellige Millionen-Euro-Marke zu. Die Aussichten beurteilt Kind zuversichtlich. Die Akzeptanz von Hörgeräten sei stark gestiegen. „Wir sind jetzt an einem Punkt, dass wir mit Hightech-Produkten wachsen können.“ Zur Finanzierung des Wachstums schließt Kind eine Börsennotierung wie bei den großen Konkurrenten nicht aus. Die Frage werde sich irgendwann stellen. Aktuell sei ein Börsengang aber kein Thema.

Gar keine Rolle spielen solche Überlegungen hingegen bei dem anderen großen Engagement, das ihn nicht loslässt und für das Kind wie für das Hörgeräte-Unternehmen heute noch drei bis vier Stunden Zeit pro Tag aufbringt. Für einen Börsengang fehlten Hannover 96 die Voraussetzungen. „Wir sind wirtschaftlich zu schwach.“ In den vergangenen Jahren habe man in der zweiten Liga nur Verluste erwirtschaftet.

Leidenschaftslos

Kind lässt keinen Zweifel daran, dass die Eigentümer dafür einstünden, die erforderliche Lizenz für den Betrieb in den Profiligen sicherzustellen. Seit 1997 ist der Unternehmer mit einer kurzen Unterbrechung die wichtigste Figur des Clubs. Dabei wäre er vorher, so sagt er, von allein nicht auf die Idee gekommen, Mitglied bei Hannover 96 zu werden. Ein „leidenschaftlicher Fußballfan“ sei er nicht. Nach Anfrage von Verantwortlichen sei er aber bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen, um Probleme zu lösen. Vereinen in Deutschland wurde in dieser Zeit ermöglicht, den Profifußball als steuerpflichtigen Teil aus dem gemeinnützigen Verein in Kapitalgesellschaften auszugliedern. Kind legte für den überschuldeten Drittligisten Hannover 96 ein Konzept zur Ausgliederung vor. Dem hätten die Vereinsmitglieder mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln zugestimmt.

1999 wurde der Profifußball-Bereich in die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ausgegliedert. Das Kapital hält die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, an der neben Drogerieunternehmer und Tennispartner Dirk Roßmann und dem Immobilieninvestor Gregor Baum der jüngere Sohn Matthias beteiligt ist, an den Kind die Mehrheitsanteile von gut 52% inzwischen übertragen hat. Gemeinsam hätten die drei Gesellschafter bislang etwa 50 Mill. Euro investiert, erklärt Kind.

Unruhig

2002 gelang Hannover 96 der Aufstieg in die erste Bundesliga, doch Ruhe kehrte nicht ein – was nicht nur mehr als 20 Trainerwechsel in den vergangenen 25 Jahren dokumentieren. Mit dem Mutterverein, der über die (von Kind geführte) Hannover 96 Management GmbH zur Führung der Geschäfte berechtigt ist, liegt der Unternehmer seit langem im Clinch. Beide Seiten sind aneinander gebunden, weil die nur in den Bundesligen geltende 50-plus-1-Regel weiterhin dem eingetragenen Verein Stimmenmehrheit sichert. Übernahmen durch externe Investoren wie in England sollen so verhindert werden.

Mit Bayer 04 Leverkusen, VfL Wolfsburg und TSG 1899 Hoffenheim gibt es jedoch Ausnahmen. Kind, der eine Dreiklassengesellschaft im deutschen Profifußball beklagt, kämpft hartnäckig für die Aufhebung der Regel – und eckt damit nicht zuletzt bei der aktiven Fanszene in Hannover gewaltig an. Die 50-plus-1-Regel sei „unternehmensrechtlich mehr als fragwürdig“, sagt er und kritisiert das Bundeskartellamt, das die Aufgabe habe, Wettbewerbsgleichheit herzustellen, bei dieser Regel aber Ausnahmen bei drei Bundesligisten zulasse. Möglicherweise könnte eine Klage gegen die 50-plus-1-Regel auch beim Europäischen Gerichtshof eingereicht werden.

Angefeindet

Mit Blick auf das Votum der 36 Vereine der ersten und zweiten Bundesliga, die im Dezember mit genau der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für Verhandlungen mit Finanzinvestoren über den Verkauf eines Minderheitsanteils an Lizenzerlösen aus TV-Rechten stimmten, spricht Kind von einer sehr hohen Hürde, die genommen worden sei. „Das ist zu respektieren.“ Ob er entgegen einer vorherigen Weisung des Hannoverschen Sportvereins von 1896 für die Aufnahme der Verhandlungen votierte, lässt er mit Verweis auf die geheime Abstimmung weiter offen.

Kritik durch den Mutterverein oder Anfeindungen durch Teile der Fans müsse man aushalten können, fügt Kind hinzu. Sonst dürfe man den Job als Geschäftsführer im Profifußball nicht machen. „Ich bin belastbar und konfliktfähig.“ Er denke unternehmerisch und emotionslos. „Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, stehe ich zu meiner Beurteilung.“