Tag X rückt bei der BMW-Konzernspitze näher
Der Tag X an der
BMW-Spitze rückt näher
Von Stefan Kroneck, München
Oliver Zipse sitzt derzeit fest im Sattel. Der Vorstandschef von BMW hat das weiß-blaue Dax-Mitglied in der Transformation zur Elektromobilität auf Kurs gebracht. Die Auslieferungen sind robust, die Profitabilität solide und die Aussichten dank neuer E-Modelle gut. Trotzdem nimmt der CEO des Münchner Autoherstellers in der Branche bisweilen eine Außenseiterrolle ein. Das zeigte sich im Vorfeld der Messe IAA Mobility, die am 10. September endete. Der CEO prangerte die EU-Verbotspolitik für Autos mit Verbrennungsmotoren an. Den Abschied von neuen Benzin- und Dieselautos bis 2035 bezeichnete er in einem Interview als „fahrlässig“. Aufgrund fehlender Rohstoffe mache sich Europa von Importen abhängig und werde dadurch politisch erpressbar.
Altersgrenze in Sicht
Das passt zum BMW-Konzept der „Technologieoffenheit“. Zipse plädiert anders als manche Kollegen von Wettbewerbern dafür, bei den Antrieben mehrgleisig zu fahren, solange die Abnehmer dies wünschten. Der Kunde entscheide, lautet sein Credo.
Derweil rückt der Tag X näher, an dem sich entscheidet, wer Zipses Nachfolge antreten könnte. Der aus Heidelberg stammende Diplom-Ingenieur wird am 7. Februar kommenden Jahres 60 Jahre alt. Sein Fünf-Jahres-Vertrag läuft Mitte August 2024 aus. Aus Sicht des Konzerns gehört Zipse damit zum alten Eisen. Bei BMW ist es üblich, Verträge von Vorständen nicht zu verlängern, wenn diese das 60. Lebensjahr vollendet haben („Erklärung zur Unternehmensführung“ vom März 2023). Dann sollen diese Jüngeren Platz machen. Ausnahmen von der Regel sind selten. Der Aufsichtsrat verlängerte den Vertrag des damaligen Finanzvorstandes Friedrich Eichiner um ein Jahr bis Mai 2017, obwohl dieser seinerzeit die Altersgrenze überschritten hatte. Dies war dem Umstand geschuldet, dass zuvor Harald Krüger das BMW-Lenkrad von seinem Amtsvorgänger Norbert Reithofer übernommen hatte. Eichiner galt als Vertrauter von Reithofer, der in das Kontrollgremium wechselte. Seitdem agiert der Ex-CEO dort als Chefaufseher.
In Bezug auf Zipse wird der Aufsichtsrat vermutlich Ende 2023/Anfang 2024 entscheiden, ob er beim aktuellen CEO eine Ausnahme zulässt oder gleich einen Nachfolger nominiert. Den BMW-Statuten zufolge befasst sich im „Regelfall“ der Personalausschuss des Aufsichtsrats „ca. ein Jahr vor dem Ende eines Vorstandsmandats mit der Frage einer Verlängerung oder Nachbesetzung“.
Zur Mitte der laufenden Dekade zündet BMW mit einer neuen Generation von E-Modellen eine Offensive, um der wachsenden Konkurrenz in diesem Segment Paroli zu bieten. Die Markteinführung dieser Fahrzeuge läuft an. In der Transformation zur E-Mobilität ist das fürs Unternehmen eine kritische Phase. Vor diesem Hintergrund spräche einiges dafür, dass Zipse um ein Jahr verlängert, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Der Aufsichtsrat könnte aber auch gleich Nägel mit Köpfen machen und eine neuen designierten CEO präsentieren. Wie bei BMW üblich, werden Konzernchefs und andere Vorstände aus den eigenen Reihen rekrutiert.
Nachfolgekandidaten
Mit Blick auf die Liste möglicher Kandidaten unter den sechs Vorstandskollegen von Zipse hätte Milan Nedeljkovic (Jahrgang 1969) gute Chancen, diesen zu beerben. BMW folgte damit einer Tradition, vor allem Produktionsvorstände für den Chefposten zu bestellen. Die Fertigung zählt zu den Schlüsselressorts. Der aus Serbien stammende Maschinenbauingenieur verantwortet den Bereich seit 2019. Nedeljkovic folgte seinerzeit auf Zipse, der zuvor im Vorstand dieses Amt bekleidete. Zipse selbst schlüpfte in die Rolle des CEO im August 2019, nachdem der amtsmüde gewordene Krüger vorzeitig zurückgetreten war. Zipses Ernennung zum CEO war also das Resultat eines Zufalls. Hätte Krüger weitergemacht und den Aufsichtsrat überzeugt, wäre es zu diesem Wechsel an der Konzernspitze wohl nicht gekommen. Zipse arbeitet seit 32 Jahren für BMW. Vor seinem Aufstieg in den Vorstand war er Leiter des Mini-Werks in Oxford.