Tech-Sektor trauert um Werbevisionärin Susan Wojcicki
Tech-Sektor trauert um Susan Wojcicki
xaw New York
Anlässlich des frühen Todes von Susan Wojcicki heben langjährige Begleiter wie Sundar Pichai die Nahbarkeit und Bodenständigkeit der ehemaligen Youtube-Chefin hervor. So beschrieb der Alphabet-CEO am Wochenende in einer E-Mail an Mitarbeiter, wie Wojcicki ihm bei seinem Vorstellungsgespräch bei dem Suchmaschinenkonzern vor zwei Jahrzehnten ein Eis spendierte, ihm das Google-Firmengelände zeigte und der Situation dabei die Anspannung nahm.
Doch die Managerin, die am Samstag im Alter von 56 Jahren nach zweijährigem Kampf gegen den Lungenkrebs verstarb, war im Silicon Valley neben weiteren Eigenschaften für eine Qualität besonders geschätzt: ihren Mut zum kalkulierten Risiko. Die im kalifornischen Santa Clara geborene Tochter einer amerikanischen Journalistin und eines polnischen Stanford-Physikprofessors studierte in Harvard Geschichte und Literatur und plante eigentlich eine akademische Laufbahn, bevor sie ihr Interesse an Technologie entdeckte und umschwenkte.
Hauskauf bringt unverhoffte Wendung
Darauf wurde sie Marketing-Managerin bei Intel – ein Immobilienkauf sollte ihrem Weg daraufhin eine neue Wendung geben. Denn die Garage ihres in den 1990er Jahren erworbenen Hauses in Menlo Park vermietete sie 1998 an die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin, die dort ihr Büro einrichteten. Was für die damals frisch Verheiratete eine Zusatzeinnahme darstellen sollte, mit der sie ihren Hypothekenzinsdienst finanzieren wollte, führte zu „einer der besten Entscheidungen meines Lebens“, wie Wojcicki im vergangenen Jahr anlässlich ihres Rückzugs von der Youtube-Spitze betonte.
Denn nachdem sie nach eigener Aussage früh das Potenzial der Idee der Gründer erkannt hatte, wurde sie 1999 zur 16. Mitarbeiterin von Page und Brin. Wojcicki sei „so zentral für die Geschichte von Google, wie es jemand sein kann“, schrieb CEO Pichai auf der Plattform X. Den Mut zum kalkulierten Risiko stellte sie auch in den Jahren nach ihrem Wechsel zu einem Start-up, das zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt werden sollte, unter Beweis. Während der von ihr beaufsichtigte Videodienst von Google im Wettbewerb mit der 2005 gegründeten Youtube stand, empfahl Wojcicki die Übernahme der Konkurrentin – die 2006 abgeschlossene Akquisition des Portals für 1,65 Mrd. Dollar managte sie selbst.
Managerin mied das Rampenlicht
Die Managerin steuerte über Jahre das digitale Anzeigengeschäft und damit die Kernerlösquelle von Google und baute dabei das Adsense mit auf, mit dem das Unternehmen Werbung auf Internetnutzer zuschneiden kann. Auch am Design des langjährigen Google-Logos und dem Launch der Bildsuche war sie in frühen Jahren entscheidend beteiligt.
Wojcicki zog als Frau in der männerdominierten Tech-Szene dabei weit weniger die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich als andere Spitzenkräfte und betonte häufig die Bedeutung einer Balance zwischen Karriere und Familienleben. Mit ihrem Mann Dennis Troper hatte sie fünf Kinder und ging als erste Google-Mitarbeiterin in Mutterschutz. Zu Jahresbeginn musste sie den Tod ihres Sohnes Marco verkraften, der auf dem Berkeley-Campus im Alter von 19 Jahren an einer Drogenvergiftung starb.
Einflussreiche Persönlichkeit
Wenngleich Wojcicki ihre Privatsphäre zu schützen suchte, rückte sie mit ihrem Aufstieg an die Youtube-Spitze im Jahr 2014 stärker ins Rampenlicht, das Magazin „Time“ führte sie unter den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt auf. Unter ihrer Führung wuchsen die Werbeerlöse der Plattform stark, zum Zeitpunkt ihres Rückzugs beliefen sie sich auf nahezu 30 Mrd. Dollar pro Jahr.
Dabei musste die Youtube-Chefin im Jahr 2017 einen Boykott von Werbekunden bewältigen, die dagegen aufbegehrten, dass ihre Anzeigen häufiger neben anstößigen oder extremen Inhalten auftauchten. Wojcicki stellte darauf mehr Personal ein, das den Content auf dem Portal überwacht. Mit der Einführung der als „Shorts“ bekannten Youtube-Kurzvideos reagierte sie zudem auf wachsende Konkurrenz durch die umstrittene Plattform Tiktok.
Bei ihrem Abschied von der Unternehmensspitze kündigte Wojcicki, die sich während ihrer Laufbahn für mehr Gelegenheiten für Frauen im Tech-Sektor einsetzte, an, mehr Zeit mit der Familie und persönlichen Projekten verbringen sowie sich um ihre Gesundheit kümmern zu wollen. Ihr Mann schrieb auf X, Wojcickis Einfluss auf die Welt sei „unermesslich“ gewesen. Nach ihrem frühen Tod trauern Amerikas Wirtschaftsköpfe auch weit über den Tech-Sektor hinaus.