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TIM-CEO Genish fällt Machtkampf zum Opfer

Von Gerhard Bläske, Mailand Börsen-Zeitung, 14.11.2018 Der Kampf um die Macht bei Telecom Italia (TIM) hat sich in spektakulärer Weise zugespitzt: In einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung wurde CEO Amos Genish am Dienstagvormittag mit...

TIM-CEO Genish fällt Machtkampf zum Opfer

Von Gerhard Bläske, MailandDer Kampf um die Macht bei Telecom Italia (TIM) hat sich in spektakulärer Weise zugespitzt: In einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung wurde CEO Amos Genish am Dienstagvormittag mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben. Kommissarischer Nachfolger wird Aufsichtsratschef Fulvio Conte.Für die Entlassung von Genish votierten die zehn vom aktivistischen Aktionär Elliott bestellten Aufsichtsratsmitglieder. Für ihn stimmten die fünf von Großaktionär Vivendi (24 %) ernannten Board-Mitglieder, darunter Genish selbst. Der Unternehmenschef, der sich im Moment seiner Ablösung zu Gespräche in China aufhielt, sprach im Hinblick auf die Umstände seiner Entlassung von sowjetischen Methoden. Vivendi bezeichnete die Abberufung als zynischen Akt, der das Unternehmen möglichst stark beschädigen soll und forderte eine Hauptversammlung. In einer Erklärung wehrte sich TIM gegen Angriffe Vivendis und “Falschbehauptungen”, die dem Unternehmen zum Schaden gereichten.Genishs Entlassung hatte sich schon länger abgezeichnet. Der im September 2017 auf Betreiben von Vivendi als Konzernchef eingesetzte Ex-Offizier der israelischen Armee war nach der außerordentlichen Hauptversammlung vom Mai, in der sich Elliott mit der staatlichen italienischen Bank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) gegen Vivendi durchgesetzt hatte, zwar im Amt geblieben. Doch seine Position hatte sich im Lauf der Zeit zusehends verschlechtert. Zur Voraussetzung für seinen Verbleib gemacht hatte der 58-Jährige, der zuvor in Brasilien für Vivendi die Mobilfunkgesellschaft GVT aufgebaut hatte, dass er freie Hand für die Durchsetzung seines Industrieplans erhält. Formal hatten ihn Elliott und die anderen Aktionäre bisher gestützt. Dennoch gab es immer wieder Gerüchte, dass seine Entlassung nur eine Frage der Zeit sei.Genishs Situation hatte sich im Laufe der Monate immer mehr zugespitzt. Die Situation von TIM im Heimatmarkt Italien wurde durch das Auftauchen des französischen Anbieters Iliad, der einen beispiellosen Preiskampf in Italien losbrach, immer prekärer. Der Aktienkurs des mit 25 Mrd. Euro verschuldeten Unternehmens brach ein. Zudem lasten auf TIM hohe Pensionsverpflichtungen und für die Ersteigerung der Lizenzen für das neue 5G-Netz musste TIM mit 2,4 Mrd. Euro deutlich mehr ausgeben als ursprünglich erwartet. Für das dritte Quartal musste TIM schließlich nicht nur einen Umsatzrückgang in Italien vermelden, sondern nach Wertberichtigungen von 2 Mrd. Euro auch einen Nettoverlust von 800 Mill. Euro.Entscheidend für die Ablösung von Genish war jedoch offenbar letztlich seine Position im Hinblick auf die Ausgliederung des Netzgeschäfts, auf die neben Elliott auch die italienische Regierung drängt. Rom schwebt vor, dieses Geschäftsfeld mit dem von der CDP und der halbstaatlichen Enel kontrollierten Gesellschaft Open Fiber zu einer monopolistischen Netzgesellschaft zusammenzuschließen. Nur so, glaubt Rom, könne man die nötigen Investitionen für das 5G-Netz finanzieren.Vivendi und Genish standen diesen Plänen bis zuletzt mehr als skeptisch gegenüber. Genish wollte ihnen nur unter der Bedingung zustimmen, dass TIM an der Gesellschaft die Mehrheit behält. Damit standen er und Vivendi, die der gleichen Ansicht ist, im Gegensatz zu Elliott und der CDP. Mehrere KandidatenEin Nachfolger Genishs, der selbst im Verwaltungsrat verbleiben will, soll am kommenden Sonntag in einer außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats bestimmt werden. Als heißester Kandidat gilt der frühere Fiat-Chrysler-Spitzenmanager Alfredo Altavilla (55), der bei der Nachfolge des verstorbenen CEO Sergio Marchionne übergangen worden war, und das Unternehmen im Spätsommer verlassen hatte. Altavilla ist ein Autospezialist und gehört bereits dem Aufsichtsrat von TIM an. Auch dem früheren Alitalia-Chef Rocco Sabelli werden Chancen eingeräumt. Dagegen ist eine Besetzung des Chefpostens mit einem internen Kandidaten zwar nicht ausgeschlossen, aber relativ unwahrscheinlich.