Trauer um Mr. Finanzplatz
Trauer um Mr. Finanzplatz
fed Frankfurt
Seine öffentlichen Auftritte waren für seine Zuhörer ein Vergnügen, für die Pressesprecher der Deutschen Bank indes alles andere als das. Denn Rolf-Ernst Breuer hielt seine Reden stets ohne Manuskript, völlig frei – was er sich im Übrigen nur deshalb leisten konnte, weil er mit einem beeindruckenden rhetorischen Talent ausgestattet war. Und mit einem ungemein profundem Allgemeinwissen. Im Grunde wäre er die Idealbesetzung für einen Telefonjoker gewesen.
Offenherzige Antworten
Nur wenige, die so geschliffen und feinsinnig formulieren konnten wie Breuer, der es – immerhin ja Rheinländer – zugleich vermochte, das Publikum zu unterhalten und, wenn nicht zum Lachen, so doch zum Schmunzeln zu bringen.
Damit nicht genug, strapazierte der frühere Vorstandssprecher und anschließende Aufsichtsratschef der Deutschen Bank die Nerven der konzerneigenen Kommunikationsabteilung, wenn er nach seinen Reden auch jenseits der Bühne auf ihn zueilenden Journalisten Fragen recht offenherzig beantwortete.
Folgenschwerer Satz
Seine Bereitschaft, die Fragen der Reporter zu beantworten, anstatt ihnen auszuweichen, hat ihm nicht nur das Wohlwollen der Presse eingetragen. War es doch diese Eigenschaft, die letztlich dafür sorgte, dass in den meisten Nachrufen ein und derselbe folgenschwere Satz zitiert wird: „Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“
Breuers Antwort in einem Interview 2002 mit Bloomberg TV zur Lage der Mediengruppe von Leo Kirch hat viele Jahre lang die Gerichte beschäftigt – und zählt sicherlich zu den bekanntesten Zitaten der deutschen Bankgeschichte. Er bezeichnete den berühmt-berüchtigten Satz später als „Unfall“. Aber auch das ändert wenig daran, dass diese Bemerkung den Rückblick auf sein Arbeitsleben dominiert.
Faible für den Kapitalmarkt
Breuer war, unterbrochen lediglich durch sein Jurastudium mit anschließender Promotion, fast ein halbes Jahrhundert für den größten deutschen Finanzkonzern tätig. Schon früh entdeckte er – und entdeckte auch die Bank – seine Leidenschaft für das kapitalmarktnahe Geschäft. 1969 wechselte er aus der Karlsruher Zweigstelle in die Börsenabteilung in der Frankfurter Zentrale, deren Leitung er 1974 übernahm.
Tiefgreifender Wandel
Kapitalmarktorientierung und Internationalisierung waren denn auch die zwei Schlüsselbegriffe, die Breuers Arbeit beschrieben, nachdem er Mitte der achtziger Jahre in den Vorstand aufstieg. Sichtbarster Ausdruck dieser strategischen Ausrichtung war die Übernahme der Investmentbank Bankers Trust für 9 Mrd. Dollar – im Jahr 1999, als Breuer bereits zwei Jahre das Amt des Vorstandssprechers innehatte.
Der Zukauf in den USA sollte den Charakter der Deutschen Bank dauerhaft verändern. Er machte aus dem Institut eine Investmentbank von globalem Rang.
Breuers Affinität zu den Kapitalmärkten und sein engagiertes Wirken in zahlreichen akademischen Gremien, die sich mit der Forschung rund um Wertpapiergeschäfte befassen, und nicht zuletzt seine Tätigkeit als langjähriger Aufsichtsratschef der Deutschen Börse brachten ihm den Beinamen „Mr. Finanzplatz“ ein. Das war zugleich der Titel eines Buches, das ihm Anfang der 2000er Jahre gewidmet wurde.
Nicht alle Transaktionen waren erfolgreich
Nicht alle Transaktionen, die Breuer initiierte, waren erfolgreich. So scheiterte etwa das vermeintliche „Powerhouse“ aus Deutscher Bank und Dresdner Bank. Als Aufsichtsratschef der Börse musste Breuer zudem erleben, dass der Schulterschluss mit der London Stock Exchange nicht zustande kam.
Prägende Persönlichkeit
Trotzdem werden selbst diejenigen, die ihm kritisch gegenüberstanden, dem aktuellen Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Alexander Wynaendts, nicht widersprechen. Er würdigte Breuer in einem Nachruf als „eine der prägendsten Persönlichkeiten“ der Bank. Immerhin gelang es ihm, in der Art und Weise seines Auftretens den Typ des traditionellen Bankiers mit dem des marktorientierten Dealmakers zu verbinden.
Kürzeste Hauptversammlung der Geschichte
Jenseits seiner Tätigkeit für die Deutsche Bank hat sich der Kunst- und Musikliebhaber umfangreich für die Kultur in Frankfurt engagiert, von der Alten Oper bis zur Schirn.
Und last but not least bleibt er am Main als Rekordhalter der kürzesten Hauptversammlung aller Zeiten im Gedächtnis: Als Aufsichtsratsvorsitzender der Börse beendete er das Aktionärstreffen, noch bevor die Journalisten ihre Computer hochgefahren hatten – allerdings war das zu einer Zeit, als die Börse noch nicht selbst an der Börse notierte.
Rolf-Ernst Breuer ist am Mittwoch im Alter von 86 Jahren nach langer Krankheit gestorben.