Die Frauen von Labour

Tulip Siddiq sitzt zwischen den Stühlen

Tulip Siddiq wird im Falle eines Labour-Wahlsiegs City-Ministerin. Sie ist zur beliebten Zielscheibe für die Linke geworden.

Tulip Siddiq sitzt zwischen den Stühlen

Tulip Siddiq zwischen den Stühlen

hip London
Von Andreas Hippin, London

Tulip Siddiq (41) hat die britische Finanzaufsicht aufgefordert, die Hürden für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit einzureißen. Kein Wunder, dass sich die Labour-Politikerin in der City of London großer Beliebtheit erfreut. In Keir Starmers Führungsmannschaft ist sie als Economic Secretary to the Treasury vorgesehen, ein Amt, das besser unter dem Titel „City-Minister“ bekannt ist und derzeit von Bim Afolami ausgeübt wird. Sie soll das Bindeglied zwischen Labour-Regierung und Finanzwirtschaft werden.

Mit ihren wirtschaftsfreundlichen Ideen sitzt sie bei Labour zwischen allen Stühlen. Der City-Minister ist ein Staatssekretär des Schatzamts, für dessen Führung Rachel Reeves vorgesehen ist. Reeves kommt in der Finanzbranche zwar gut an, steht aber der Ministerial- und Zentralbankbürokratie näher als den Praktikern aus der Square Mile. Schwer vorstellbar, dass sie sich das Thema Deregulierung auf die Fahnen schreiben wird.

Free Nazanin!

Siddiq trat mit 16 in die Labour Party ein. Sie wurde 2015 erstmals ins Unterhaus gewählt, wo sie den Londoner Wahlkreis Hampstead & Kilburn vertritt. Dort tritt sie auch dieses Mal wieder an. Dass sie sich so vehement für die Freilassung der britischen Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe aus iranischer Gefangenschaft einsetzte, lag nicht zuletzt daran, dass sie aus ihrem Wahlkreis stammt.

Ihre Mutter, Sheik Rehana, ist die jüngere Schwester von Sheik Hasina, der Premierministerin von Bangladesch. Als 2016 der britische Islamist Mir Ahmad dort verschwand, forderte Channel 4 News Siddiq auf, ihre familiären Beziehungen zu nutzen, um seine Freilassung zu erwirken. Angeblich wurde er von Sicherheitskräften entführt.

Schatten der Vergangenheit

Der Jurist hatte seinen Vater Mir Quasem vor dem International Crimes Tribunal of Bangladesch verteidigt. Sein Vater, ein prominentes Mitglied von Jamaat-e-Islami, wurde 2016 wegen Verbrechen gegen die Menschheit während des Unabhängigkeitskrieges 1971 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Familie bestritt die Vorwürfe und sprach von einem unfairen Verfahren.

Die Islamisten hatten die pakistanische Armee gegen die Unabhängigkeitsbewegung unterstützt. Dabei fielen zwischen 300.000 und drei Millionen Menschen ethnischen Säuberungen zum Opfer. Weil sie sich nicht sofort bereit erklärte, ihre Tante einzuschalten, startete Channel 4 eine mehrtägige Kampagne gegen Siddiq.

Wie so oft beim Thema Menschenrechte war die mediale Empörung groß. Ob es ausreicht, Islamisten als „Oppositionelle“ zu beschreiben, sei dahingestellt. Sie habe nie verheimlicht, dass Mitglieder ihrer Familie in Bangladesch Politik machen, sagte Siddiq damals. Sie könne die Politik des Landes nicht beeinflussen und wolle das auch nicht.

Seitdem ist sie eine beliebte Zielscheibe für die Linke: Ihr Wahlkreisbüro wird regelmäßig von Hamas-Unterstützern heimgesucht, von denen sie als „Unterstützerin des israelischen Völkermords“ beschimpft wird. Auch Starmer wird von ihnen nicht verschont.

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