Restaurant- und Modehäuser

US-Unternehmen wirbeln Vorstandsspitzen durcheinander

In Corporate America gelten CEOs derzeit als extrem verwundbar. Neben Shareholder-Aktivisten sorgt auch die nahende US-Wahl für Unruhe auf den Vorstandsetagen und in den Verwaltungsräten.

US-Unternehmen wirbeln Vorstandsspitzen durcheinander

US-Firmen wirbeln Vorstandsspitzen durcheinander

Von Alex Wehnert, New York

Für Amerikas Vorstandschefs ist der August ein unruhiger Monat. Bei der Kaffeehauskette Starbucks musste der als Nachfolger des einflussreichen Howard Schultz ausgewählte Laxman Narasimhan jüngst nach nur 16 Monaten seinen Hut nehmen. Abgelöst wird er nach einer kurzen Interimsperiode Anfang September von Brian Niccol, der den CEO-Posten bei der Fast-Food-Kette Chipotle Mexican Grill verlässt. Dort übernimmt nun der bisherige Chief Operating Officer Scott Boatwright übergangsweise das Steuer und benötigt dabei die Rückendeckung des neuen Verwaltungsratsvorsitzenden Scott Maw, während die Suche nach einem Niccol-Nachfolger nach dem überraschenden Abgang auf Hochtouren läuft.

Reizwäsche-Rochade

Kurz nach der Rochade in der Restaurant- und Café-Branche sind auch im Modesektor schnelle Wechsel angesagt. Beim Damenunterwäsche-Retailer Victoria‘s Secret trat CEO Martin Waters in der vergangenen Woche nach drei Jahren ab, ihm folgt zum 9. September Hillary Super nach. Die erfahrene Mode-Managerin kommt von der Konkurrentin Savage X Fenty, für das Joint Venture der Sängerin Rihanna und der Tech Style Fashion Group war die ehemalige Chefin des Lifestyle-Unternehmens Anthropologie Group nur ein Jahr lang aktiv. Ihre Nachfolge bei Fenty ist noch offen.

Filiale von Victoria's Secret in Manhattan: Neu-Chefin Hillary Super soll beim Reizwäsche-Händler für neuen Schwung sorgen. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Jimin Kim.

Mit den jüngsten CEO-Wechseln, die an der Wall Street heftige Kursreaktionen hervorgerufen haben, setzt sich ein Trend aus dem ersten Quartal fort. Laut der Beratungs- und Vermittlungsfirma Challenger, Gray & Christmas verließen zwischen Januar und März 622 Vorstandschefs ihre Jobs, gegenüber dem Vergleichswert aus dem Vorjahreszeitraum stellt dies eine Verdopplung dar. Damit befindet sich das laufende Jahr auf dem besten Weg, Personal-Außenvermittlern Rekordauftragszahlen einzubringen. Die Median-Amtszeit von CEOs im marktbreiten S&P 500 geht dabei seit Jahren zurück: Belief sie sich 2013 laut der Personalberatung Equilar noch auf sechs Jahre, lag sie bereits 2022 nur noch bei 4,8 Jahren.

Große Namen müssen weichen

In den vergangenen Monaten mussten mit Boeing-Chef Dave Calhoun, dem langjährigen Paramount-Global-Lenker Bob Bakish oder Hertz-CEO Stephen Scherr schon mehrere prominente Namen ihren Hut nehmen. Während unternehmensspezifische Krisen und Konflikte mit Direktoren oder Eigentümern häufig den Auslöser für Wechsel an der Vorstandsspitze bilden, ist die Unruhe auf den amerikanischen Vorstandsetagen im US-Wahljahr und angesichts des schwierigen Konjunkturumfelds allgemein groß.

Die Krise beim Flugzeugbauer Boeing kostete CEO Dave Calhoun den Job. Foto: picture alliance / abaca | Schwartz Aaron/CNP/ABACA.

Hinzu kommen technologische Veränderungen, die gerade konsumnahe Branchen vor Herausforderungen stellen. Bei Starbucks etwa waren die Filialen ursprünglich als Verweilorte zwischen Wohnung und Arbeitsplatz konzipiert. Inzwischen bildet das To-go-Geschäft allerdings den Wachstumsmotor – wobei die Kaffeehauskette unter der Langsamkeit ihres mobilen Bestellprozesses leidet. So brechen frustrierte Kunden den Vorgang zu häufig vor dem Bezahlen ab.

Vorgänger macht Stress

Der 2022 vom britischen Konsumgüterkonzern Reckitt Benckiser abgeworbene CEO Narasimhan musste sich dabei zuletzt mit Einmischungen seines Vorgängers Schultz herumschlagen, der öffentlich einen mangelnden Fokus des Unternehmens auf die Servicequalität anprangerte. Dies sei der Hauptgrund dafür, dass die Kaffeehauskette bei US-Kunden „in Ungnade gefallen“ sei. In Narasimhans Amtszeit schrumpfte die Starbucks-Marktkapitalisierung von 115 auf rund 90 Mrd. Dollar, Shareholder-Aktivisten umkreisten das Unternehmen.

Zuletzt führte Starbucks mit Elliott Investment Management wochenlange Gespräche über mögliche Maßnahmen, um die Absatzschwäche und operative Probleme zu stoppen, während mit Starboard Value laut Insidern ein weiterer Aktivist eine Beteiligung aufbaute.

Der geschasste Starbucks-CEO Laxman Narasimhan musste sich mit Einmischungen seines Vorgängers Howard Schultz herumschlagen. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Stephen Brashear.

Dass aktivistische Investoren ihre Präsenz in Corporate America wieder stark ausbauen, erhöht die allgemeine Nervosität in den Verwaltungsräten. Die Kanzlei Olshan Frome Wolosky bezeichnet CEOs angesichts dieser Entwicklung als „verwundbarer denn je“. Bei Starbucks zeigte sich Elliott nach der Ankündigung des Führungswechsels zufrieden, will aber weiter auf enge Fühlung mit dem Unternehmen gehen. Unterdessen ging es für die Aktie zuletzt wieder steil bergauf – schließlich gilt Neu-CEO Niccol in der Gastronomie als Star, der die von Lebensmittelskandalen geplagte Chipotle zum Börsenliebling formte.

Aktivisten sorgen für Nervosität

Bei Victoria‘s Secret soll Neu-Chefin Super nun die digitalen Kapazitäten ausbauen. Das klassische Filialgeschäft im Modesektor steht seit Jahren unter Druck, im Online-Handel machen Wettbewerber aus China die Preise kaputt. Ein Rebranding soll dem Unterwäsche-Label dabei helfen, in Nordamerika Anteile zurückzugewinnen. Bei Savage X Fenty gelang es Super mit einem diverseren Angebot an Größen und Modellen, der Marke Popularität zu verleihen. Bei ihrem neuen Arbeitgeber wird sie nun ebenfalls unter scharfer Beobachtung stehen.

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