Fiona Scott Morton

Frankreich stänkert erfolgreich gegen US-Spitzenökonomin

Scharfe Kritik aus der EU hat verhindert, dass die US-Spitzenökonomin Fiona Scott Morton den Job als Chefökonomin Wettbewerb in der EU-Kommission antritt.

Frankreich stänkert erfolgreich gegen US-Spitzenökonomin

Paris stänkert erfolgreich
gegen US-Spitzenökonomin

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Überraschende Wende im Streit um die Besetzung eines wichtigen Postens in Europas Anti-Trust-Aufsicht: Fiona Scott Morton verzichtet darauf, den Top-Job in der Europäischen Union anzutreten, für den sie von der EU-Kommission nominiert worden war. Die 56 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftlerin erklärte in einem Brief an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager: “In Anbetracht der politischen Kontroverse, die durch die Auswahl eines Nichteuropäers für diese Position entstanden ist, und der Wichtigkeit, dass die Generaldirektion bei ihrer Arbeit die volle Unterstützung der Europäischen Union genießt, habe ich beschlossen, dass es das Beste ist, wenn ich mich zurückziehe und den Posten des Chefökonomen nicht antrete.”

Die Dänin machte die Absage der amerikanischen Forscherin am Mittwoch über Twitter öffentlich. Diesem Rückzug vorausgegangen war eine selbst für Brüsseler Spitzen-Personalien ungewöhnlich scharfe öffentliche Debatte über die Besetzung. Dabei ist der Posten des Chefökonomen beziehungsweise der Chefökonomin der Generaldirektion Wettbewerb in der EU-Kommission in der Vergangenheit nie ein Zankapfel gewesen, zumal es sich um eine beratende Funktion ohne Entscheidungsmacht handelt. So ist es kein Zufall, dass Amtsinhaber Pierre Regibeau allenfalls einem Fachpublikum bekannt ist.

Seit sich jedoch EU-Kommissarin Vestager für Scott Morton als Wettbewerbs-Chefökonomin stark gemacht hat, wird in Brüssel hitzig diskutiert. Vor allem aus Frankreich sind seither viele Vorbehalte geäußert worden, wobei sich die Kritik vor allem daran entzündete, dass Scott Morton eine Amerikanerin ist. So wurde Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kürzlich von Nachrichtenagenturen mit der Bemerkung zitiert, es sei äußerst beunruhigend, wenn es keinen großen europäischen Wissenschaftler oder keine große europäische Wissenschaftlerin gebe, der oder die für den Job geeignet seien.

Innerhalb der EU-Kommission orchestrierte derweil Industriekommissar Thierry Breton den Widerstand gegen die Amerikanerin. Im Raum stand die Ankündigung, dass sich eine Handvoll EU-Kommissare unter Bretons Regie bei EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gegen eine Besetzung Scott Mortons stark machen wollten. Diese Demarche ist nach dem Rückzieher der US-Wirtschaftsprofessorin nun nicht mehr notwendig. Auch aus dem EU-Parlament kamen Protestnoten, und zwar über mehrere Fraktionen hinweg, wobei sich die Grünen mittlerweile in das Lager der Unterstützer von Scott Morton bewegt haben.

“Weltklasseexpertin”

Zu diesen Unterstützern zählen mehrere Dutzend Wirtschaftswissenschaftler aus Europa, die Scott Morton über den grünen Klee loben und sie nach übereinstimmenden Medienberichten in einem Schreiben als “Weltklasseexpertin” für Wettbewerbsfragen bezeichnen. In der Tat dokumentiert ihr Curriculum vitae, dass sie die fachliche Qualifikation für die Position mitbringt. Scott Morton ist Professorin in Yale und war in der Obama-Administration von 2011 bis 2012 stellvertretende Generalstaatsanwältin für Wirtschaft in der Kartellabteilung des Justizministeriums der Vereinigten Staaten – also in federführender Position in wettbewerbsrechtlichen Fragen in den USA. Sie ist zugleich in einer privaten Beratungsgesellschaft tätig und hat an Gutachten im Auftrag von Apple und Amazon mitgearbeitet.

Über rechtliche Würdigung hinaus

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Die Position des Chefökonomen in der Wettbewerbsabteilung wurde von der EU-Kommission eingerichtet, nachdem sich gezeigt hatte, dass eine bloße rechtliche Bewertung von Fusionsvorhaben oder marktbeherrschenden Positionen oft unzureichend ist. Aufgabe des Chefökonoms respektive der Chefökonomin ist es deshalb, auf wirtschaftliche Auswirkungen hinzuweisen, die sich allein mit der Betrachtung von Marktanteilen nicht identifizieren lassen. An Relevanz gewonnen hat die Position durch den Bedeutungsgewinn der Plattformen. Umso mehr bedauern die Fürsprecher von Scott Morton in Brüssel, dass es den Gegnern gelungen sei, die Amerikanerin zum Rückzug zu bewegen. Denn gerade was Big Tech angeht, hätte die US-Spitzenökonomin für einen frischen Blick auf die Fälle gesorgt, heißt es in Brüssel.

Wertberichtigt Seite 2