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Vier deutsche Frauen unter den Forbes Top 100

Von Annette Becker, Köln, und Martin Dunzendorfer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 11.12.2020 Es ist eines der am stärksten beachteten Rankings überhaupt: die Top-100-Liste der weltweit mächtigsten Frauen des Jahres von "Forbes". Aus deutscher Sicht gibt...

Vier deutsche Frauen unter den Forbes Top 100

Von Annette Becker, Köln, und Martin Dunzendorfer, FrankfurtEs ist eines der am stärksten beachteten Rankings überhaupt: die Top-100-Liste der weltweit mächtigsten Frauen des Jahres von “Forbes”. Aus deutscher Sicht gibt es 2020 keinen Grund, enttäuscht zu sein – allerdings nur mit Blick auf die vordersten Plätze. Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) belegt zum zehnten Mal in Folge den Spitzenplatz, gefolgt von der Französin Christine Lagarde (64), der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB).An dritter Position findet sich in der Liste des US-Magazins eine Neueinsteigerin: Kamala Harris. Die 56-jährige amerikanische Politikerin wird nach dem Sieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl voraussichtlich am 14. Dezember zur Vizepräsidentin gewählt und am 20. Januar 2021 in das Amt eingeführt. An vierter Stelle steht bereits die zweite Deutsche: Ursula von der Leyen. Die 62-Jährige ist seit dem 1. Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission. Eher ohnmächtig als mächtigDann allerdings tun sich in der Rangliste große Lücken auf, bevor die beiden übrigen deutschen Vertreterinnen auftauchen. Zur laut “Forbes” mächtigsten Frau des Jahres hat es dabei für Martina Merz, Vorstandschefin von Thyssenkrupp, dieses Jahr noch nicht gereicht. Doch mit dem 19. Platz, den die 57-Jährige in der Liste des US-Magazins aus dem Stand heraus erreicht hat, braucht sich die studierte Maschinenbauerin keineswegs zu verstecken – zumal es nur zwei Geschäftsfrauen aus Deutschland unter die Top 100 geschafft haben. Allerdings dürfte sich die langjährige Bosch-Managerin angesichts der desolaten Lage des von ihr geleiteten Konzerns derzeit eher ohnmächtig denn mächtig fühlen. Der Hoffnungsschimmer, den sie mit dem Verkauf der Aufzugssparte für stolze 17 Mrd. Euro verband, ist längst verglommen. Stattdessen macht sich Ernüchterung breit.Merz hatte sich im Oktober 2019 keineswegs um den Führungsposten bei Thyssenkrupp gerissen. Nur mangels Alternativen hatte sie sich breitschlagen lassen und war nach der Trennung von Guido Kerkhoff von der Aufsichtsrats- an die Vorstandsspitze getreten. Aus interimistisch wurde im März dann dauerhaft, und seit April besitzt Merz einen über drei Jahre laufenden Vorstandsvertrag.Dieses Jahr dürfte für die erfahrene Managerin so manche Enttäuschung mit sich gebracht haben. Denn ihre ursprüngliche Sanierungsidee, die wichtigsten Geschäfte des Traditionskonzerns aus eigener Kraft auf Vordermann zu bringen, lässt sich nicht verwirklichen. Die vielen Milliarden, die die Finanzinvestoren nach Essen überwiesen, sind in Teilen schon wieder weg. Allen voran in der Stahlsparte wird Geld verbrannt. Die Auszeichnung als eine der mächtigsten Geschäftsfrauen weltweit ändert daran nichts.Ganz anders stellt sich die Situation für die an Position 65 geführte Melanie Kreis dar. Die 49-Jährige ist die jüngste der vier Frauen aus Deutschland, die es in die Top-100-Liste geschafft haben. Im Gegensatz zu von der Leyen und Merz war sie schon im Vorjahr – als einzige Deutsche neben Merkel – im Ranking zu finden. Und Kreis zeichnet eine weitere Besonderheit aus: Sie ist nicht die Chefin des Konzerns, in dem sie arbeitet, der Gruppe Deutsche Post DHL, sondern seit September 2016 zuständig für Finanzen. Ihre große Erfahrung in M&A kam der Diplom-Physikerin schon so manches Mal zugute; etwa beim Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank. Profiteur des Online-BoomsAnders als Merz hat Kreis, die als sehr umgänglich und kollegial gilt, kaum einen Grund zur Klage, denn der Logistikkonzern aus Bonn schlägt sich 2020 – trotz Kostensteigerungen und erheblichen Aufwandes für die Neuorganisation von Ablaufprozessen infolge der Corona-Pandemie – bravourös. Dazu beigetragen hat der Online-Boom; durch ihn steigt die Zahl der Paketsendungen in – für dieses Jahr – nie für möglich gehaltene Höhen. Außerdem profitiert der Dax-Konzern von den am Boden bleibenden Passagierflugzeugen der Airlines, die in ihren Bäuchen rund die Hälfte der weltweiten Flugfracht transportieren. Der starke Auftragsrückgang bei Frachtsendungen der DHL wird nämlich überkompensiert durch die Zuschläge bei den Frachtraten für den Transport in den eigenen 260 Maschinen.