Visionär Fisker wird von der Realität eingeholt
Visionär Fisker wird
von der Realität eingeholt
Von Sebastian Schmid, Frankfurt
Es stellt sich die Frage, ob Henrik Fisker die Insolvenz seines zweiten automobilen Start-ups nicht schon früher hätte absehen können. Auf der Website seines nun insolventen Autokonzerns Fisker lässt sich der namensgebende Gründer jedenfalls nicht nur als Visionär feiern. „Manche Menschen haben die seltene Gabe, in die Zukunft blicken zu können und zu sehen, was anderen verborgen bleibt“, heißt es da. Selbstredend wird Fisker als eine Person aus diesem erlauchten Kreis der einfallsreichen Vordenker gesehen. Und tatsächlich hatte der gebürtige Däne in den vergangenen Jahren immer wieder Visionen, die andere Branchenvertreter so nicht teilen wollten.
Feststoff-Träume schnell geplatzt
So musste der Visionär zwar bereits 2018 einräumen, dass sein eigentlich für 2019 geplantes Elektroauto erst später auf den Markt kommen würde. Aber der Grund war ein guter. Statt mit der aktuellen Lithium-Ionen-Technologie werde Fiskers Erstling mit einer Festkörperbatterie auf den Markt gebracht. Die sei aber erst 2020 serienreif. Er hoffe auf eine Reichweite von 900 Kilometern, stellte Fisker eine damals noch unglaublich erscheinende Reichweite in den Raum. Ein Paukenschlag, alle etablierten Autohersteller wie VW, Toyota oder BMW rechneten frühestens Mitte des Jahrzehnts mit einer Marktreife der Feststoffzelle.
Der Mainstream sollte recht behalten. Bis heute ist noch kein Serienfahrzeug mit Festkörperbatterie auf der Straße, und es dürfte wohl noch länger dauern als gedacht. Fisker selbst stellte alle eigenen Ambitionen in diesem Bereich 2021 ein und kündigte an, der Erstling Fisker Ocean werde Ende 2022 dann endlich auf den Markt kommen. Allerdings mit herkömmlichem Lithium-Ionen-Akku. Auf 900 Kilometer Reichweite kam der zwar nicht, aber mit der größten Batterie immerhin auf 707 Kilometer – deutlich mehr als Teslas Model Y Long Range, der auf gut 600 Kilometer kommt, wie Henrik Fisker gerne betonte. „Wir haben den einzigen echten Wettbewerber für Teslas Model Y“, proklamierte er noch im Frühjahr, als sich die Pleite längst abzeichnete. Zudem musste Fisker für knapp 18% mehr Reichweite gut 43% mehr Akkukapazität einbauen. Entsprechend teurer war der Ocean in der Herstellung.
Mehr Designer als Manager
Der Visionär, der tatsächlich gefällig anzusehende Autos wie den Aston Martin DB9 oder auch den BMW Z8 designt hatte, tat sich mit der ökonomischen Realität deutlich schwerer als mit dem Entwurf neuer Traumkarossen. Dafür baute er auch in den letzten Monaten immer wieder neue Traumschlösser für Investoren und Kunden. Anfang März gab es Gerüchte über einen Einstieg von Nissan bei Fisker. Der Visionär selbst erklärte in einem Interview mit „Yahoo Finance“, er könne angesichts der laufenden Gespräche keinen Investor namentlich nennen, aber die Gespräche liefen seit Monaten, so dass er einen zeitnahen Abschluss erwarte. Zudem gewinne Fisker täglich zahlreiche neue Händler hinzu, die den Ocean in ihr Programm aufnehmen wollten. Zeitgleich hatte das Unternehmen eine Warnung vor der drohenden Insolvenz ausgegeben und war an der Börse längst zum Penny Stock geschrumpft.
Obwohl Fisker über Tausende fertig produzierter Ocean verfügte, die noch nicht ausgeliefert worden waren, suggerierte der Däne noch im März, dass die Händler Sorge hätten, nicht genug Autos zu erhalten. Tatsächlich lässt sich errechnen, dass Fisker in den ersten dreieinhalb Monaten des laufenden Jahres nur knapp 1.500 Ocean ausliefern konnte – bei einem Jahresziel von 20.000 bis 22.000 Stück. Während das Design des Autos von Kritikern gelobt wurde und die Qualität der von Magna gebauten Autos zu gefallen wusste, war die fehleranfällige Software ein konstantes Ärgernis. Am Ende war es aber die finanzielle Realität, die den 60-Jährigen und seine Firma eingeholt hat.