Volkswagen wirbt von BMW Einkaufsvorstand Duesmann ab
Von Stefan Kroneck, MünchenBinnen drei Jahren hat der von der Dieselbetrugsaffäre gezeichnete Volkswagen-Konzern zum zweiten Mal nach Herbert Diess einen Topmanager vom Wettbewerber BMW abgeworben. Der Wolfsburger Mehrmarkenkonzern teilte mit, dass der Aufsichtsrat Markus Duesmann “den Eintritt in den Konzernvorstand” angeboten habe. Eine Ressortverantwortung steht noch nicht fest – auch nicht, wann der 49-Jährige seinen neuen Posten antritt. Duesmann werde “seine Tätigkeit aufnehmen, sobald er hierfür zur Verfügung steht”, formulierte VW. Der aus Westfalen stammende Maschinenbauingenieur ist noch offiziell Vorstand für den Einkauf und das Lieferantennetz des Münchner Autokonzerns. Sein Vertrag, der bis Ende September 2019 läuft, ruht aber seit gestern. Hinzu kommt eine Wettbewerbssperre von einem Jahr. Demzufolge könnte er spätestens im Herbst 2020 bei VW anfangen. Die Details über den Wechsel handeln derzeit beide Unternehmen aus. VW zielt darauf ab, dass der Manager früher kommen kann.Tags zuvor informierte Duesmann BMW-Aufsichtsratschef Norbert Reithofer über seine Absicht, zu VW zu gehen. Der Chefaufseher und frühere BMW-Vorstandschef will in absehbarer Zeit einen Nachfolger für den scheidenden Einkaufsvorstand berufen. Verschiedene OptionenDuesmann, der das BMW-Vorstandsressort erst seit knapp zwei Jahren verantwortet, steht vor einem Karrieresprung beim größten Autobauer der Welt. VW spielt dabei mehrere Optionen durch. So könnte er die Nachfolge von Rupert Stadler (56) an der Audi-Spitze antreten. Stadler sitzt wegen der Dieselaffäre seit über fünf Wochen in Untersuchungshaft. Seitdem leitet sein Vorstandskollege Bram Schot (57) die Ingolstädter VW-Tochter kommissarisch. Audi sucht einen Nachfolger für Stadler, über dessen Vertragsauflösung derzeit verhandelt wird. Über Duesmann als möglichen Audi-CEO müsste aber der Aufsichtsrat von Audi befinden. Das Kontrollgremium selbst soll sich mit der Personalie noch nicht beschäftigt haben, wie es heißt. Alternativ könnte er Chef der geplanten Premiummarkengruppe, zu denen unter anderem Porsche und Audi gehören, werden. Vertrauter von DiessFakt ist, dass Duesmanns künftiges Aufgabenfeld davon abhängt, wie der neue Konzern-Vorstandsvorsitzende die VW-Gruppe organisatorisch auf sich zuschneidet. Diess, der im Oktober 60 Jahre alt wird, baut sich dazu einen engen Kreis von Vertrauten und Mitstreitern auf. Dazu zählt auch Duesmann, den er schon länger im Auge hatte. Beide kennen sich aus BMW-Zeiten sehr gut. Sie gelten als unbelastet mit Blick auf die Dieselmanipulationen. Offensichtlich trauen ihnen die beiden VW-Unternehmerfamilien Porsche und Piëch zu, die Gruppe auf Vordermann zu bringen. Vor seinem Aufstieg in den BMW-Vorstand führte Duesmann von 2012 bis 2016 den Unternehmensbereich Antriebe. In dieser Zeit berichtete er unter anderem an Diess, der von 2012 bis 2015 Entwicklungsvorstand im weiß-blauen Dax-Konzern war. Beide verbindet vor allem die Passion für Automotoren und deren Weiterentwicklung. Duesmann war einst Leiter der BMW-Motoren für die Formel-1-Rennsportserie. Für BMW arbeitet der einstige Daimler-Manager seit elf Jahren. Zuletzt hatte Duesmann bei den Münchnern unter anderem die Sicherung der Rohstofflieferungen für die Batterien in den künftigen Elektromodellen im Blick. Seinen letzten Coup für BMW machte er vor wenigen Tagen, als er die Kooperation mit dem Batteriezellenhersteller CATL aus China bekannt gab (vgl. BZ vom 10. Juli). Duesmann ist nicht der erste Topmanager von BMW, der zur Konkurrenz geht. Der frühere BMW-Chef Bernd Pischetsrieder, der über das Rover-Desaster gestolpert war, war von 2002 bis 2006 VW-Vorstandschef. Ferdinand Piëch holte den Münchner einst nach Wolfsburg, vier Jahre später feuerte er ihn wieder wegen Erfolglosigkeit. Für VW ist nun der ehemalige BMW-Topmanager Diess ein Hoffnungsträger. Im Juli 2015 holte der damalige VW-Konzernchef Martin Winterkorn ihn in den Vorstand als Chef der Kernmarke. Im Rennen um den Chefposten bei BMW zog er gegenüber seinem Kollegen Harald Krüger zuvor den Kürzeren. Zweieinhalb Monate danach flogen die Abgasmanipulationen auf. Winterkorn musste gehen. Mit den Folgen des Betrugs ist VW immer noch beschäftigt. Vor seinem Wechsel zum großen Konkurrenten war der promovierte Maschinenbauingenieur zunächst Einkaufs- und später Entwicklungsvorstand von BMW. Zukunftsthemen im BlickIm April dieses Jahres stieg der ebenfalls gebürtige Münchner mit österreichischem Pass zum Vorstandschef von VW auf. Diess war am Ziel. Er folgte auf Matthias Müller (65), dem zuletzt Amtsmüdigkeit nachgesagt wurde. Müller arbeitete sich an der Aufarbeitung der Dieselaffäre ab. Zugleich zögerte er angeblich bei Zukunftsthemen wie der Elektromobilität. Diess ist nun dabei, den Konzern umzukrempeln. Dabei soll Audi, die unter anderem wegen der Dieselkrise gegenüber BMW und Daimler deutlich an Boden verloren hat, eine Schlüsselrolle spielen.