Chuka Umunna

Vom Politiker zum grünen Investmentbanker

Politiker, Rechtsanwalt, ESG-Spezialist: Chuka Umunna hat viele Facetten. Der 44 Jahre alte Brite ist der oberste grüne Investmentbanker von J.P. Morgan in Europa.

Vom Politiker zum grünen Investmentbanker

Vom Labour-Politiker
zum grünen Investmentbanker

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

“Ich bin zu 80% Investmentbanker”, sagt Chuka Umunna über sich selbst. “Wir beraten Unternehmen dabei, was Investoren in Sachen ESG wollen.” Der 44 Jahre alte Brite ist Leiter des EMEA ESG & Green Economy Investment Banking von J.P. Morgan in London, also der oberste grüne Investmentbanker des amerikanischen Geldhauses in Europa. “Rund 20% meiner Zeit verbringe ich mit den ESG-Themen der Bank selbst. Dazu zählt etwa die Dekarbonisierung des Kreditportfolios”, sagt der ehemalige Geschäftsmann und Politiker.

Angefangen hat Umunna bei J.P. Morgan im April 2021 in der Abteilung für Corporate & Investment Banking. Hier nimmt die Bedeutung von ESG (Umwelt, Soziales, Governance) nach seiner Einschätzung stetig zu. Bei Börsengängen werde inzwischen meistens eine Bank eigens nur dafür ausgewählt, um den gesamten Prozess der ESG-Dokumentation abzudecken.

Umunna ist nicht nur Investmentbanker, sondern hat noch eine weitere Qualifikation: Er ist als Rechtsanwalt in Großbritannien zugelassen. Vor seiner jetzigen Tätigkeit arbeitete er als Head of ESG bei Edelman, der weltweit größten Strategie- und Kommunikationsberatung, wo er die globale ESG-Beratungspraxis mit leitete.

Weithin bekannt ist er in Großbritannien auch als Politiker. Als ehemaliger Abgeordneter der Labour-Partei für den Londoner Stadtteil Streatham von 2010 bis 2019 war Umunna mehrere Jahre lang in der britischen Opposition als Schattenstaatssekretär für Wirtschaft, Innovation und Qualifikationen und Schattenminister für kleine Unternehmen tätig. Im Parlament schloss er sich dem “Blue Labour”-Trend der Partei an, der die neoliberale Wirtschaftspolitik ablehnt. Im Februar 2019 trat er jedoch aus Protest gegen Jeremy Corbyns Parteiführerschaft aus der Labour-Partei aus, um zusammen mit sechs anderen Abgeordneten die Independent Group, später Change UK, zu gründen. Später im Jahr 2019 verließ er Change UK und trat nach einer kurzen Zeit als unabhängiger Abgeordneter den Liberaldemokraten bei. Bei den Parlamentswahlen 2019 gelang es ihm nicht, als Abgeordneter wiedergewählt zu werden, und er kehrte nicht ins Unterhaus zurück.

Auf die Frage, ob das Tempo bei der Bekämpfung des Klimawandels ausreichen wird, gibt Umunna im Gespräch eine eindeutige Antwort: “Wir haben immer wieder gesagt, dass mehr Investitionen in saubere Energie notwendig sind, um den Übergang voranzutreiben. Die IEA (Internationale Energie Agentur) schätzt, dass sich die jährlichen Investitionen in saubere Energie weltweit bis 2030 auf rund 4 Bill. Dollar mehr als verdreifachen müssen, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen”, eröffnet der Investmentmentbanker den positiven Ausblick: “Dies könnte Millionen von neuen Arbeitsplätzen schaffen und das globale Wirtschaftswachstum erheblich steigern.”

Als Sohn eines nigerianischen Vaters und einer englisch-irischen Mutter wurde Umunna in Lambeth geboren und besuchte das St. Dunstan’s College, eine Privatschule in Catford, Lewisham. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften an der Universität von Manchester und der Nottingham Trent University. Als Jugendlicher war er Mitglied der Liberaldemokraten und trat 1997 der Labour Party bei, als sich die Partei noch als “New Labour” bezeichnete. Er arbeitete als Anwalt in der Londoner City, zunächst für Herbert Smith und dann für Rochman Landau, und schrieb Artikel für den Think Tank Compass.

Stellt man Umunna die Frage “Wo fängt Greenwashing für Sie an?”, dann antwortet er technisch: “Hier geht es um Transparenz, Disziplin bei der Verwendung von Etiketten und Beschreibungen für Produkte und eine klare Aussage über unsere Werte und Verpflichtungen. JPMC arbeitet mit Kunden zusammen, um den Übergang zu unterstützen und Kunden, die sich auf diesem Weg befinden, zu begleiten.”

Fragt man Umunna, inwieweit persönliche Einschränkungen erforderlich sind, um den Klimawandel aufzuhalten, antwortet er beschwichtigend: “Die Erkundung der vielen Möglichkeiten, sich zu engagieren und nachhaltiger zu leben, ist eine persönliche Entscheidung, aber wir sollten auch nicht vergessen, dass Fortschritte beim Klimaschutz auch durch neue Innovationen und Technologien erzielt werden.” Im Privatleben achte er “so viel wie möglich” auf Nachhaltigkeit. Er ordnet es selbst als seinen größten Erfolg ein, “mit unserem Team die beste ESG- und grüne Investmentbanking-Praxis in Europa aufgebaut zu haben”, auch wenn er es nicht schaffe, “meine riesige “To-Do”-Liste regelmäßig abzuarbeiten”.

In Großbritannien geriet der ehemalige Labour-Party-Star Ende 2022 in die Kritik, weil er laut britischen Medienberichten den als “tschechische Sphinx” bekannten Braunkohle- und Energiemagnaten Daniel Kretinsky beraten haben soll, dem in Ostdeutschland die ehemaligen Braunkohleaktivitäten des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gehören. Umunna wurde den Berichten zufolge von Kretinskys Investmentfirma Vesa Equity angeheuert.

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