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Von der Strom-Lobbyistin zur E-Auto-Vorkämpferin

scd - Politisch bestens vernetzt, verbandserfahren und in Sachen Infrastruktur für die E-Mobilität mit Praxiswissen ausgestattet. Wenn Hildegard Müller, wie von Gabor Steingart am Mittwoch in seinem Morning Briefing verkündet, tatsächlich die erst...

Von der Strom-Lobbyistin zur E-Auto-Vorkämpferin

scd – Politisch bestens vernetzt, verbandserfahren und in Sachen Infrastruktur für die E-Mobilität mit Praxiswissen ausgestattet. Wenn Hildegard Müller, wie von Gabor Steingart am Mittwoch in seinem Morning Briefing verkündet, tatsächlich die erst zweite Präsidentin im deutschen Automobilverband VDA wird, bringt sie Stärken mit, die Amtsinhaber Bernhard Mattes zuweilen fehlten. Dieser hatte noch während der Automesse IAA im September unerwartet seinen Rückzug angekündigt, nachdem er immer wieder mit Querschüssen von gewichtigen Mitgliedern des Lobbyverbandes konfrontiert worden war.Die 52-jährige Müller, die ein siebenstelliges Gehalt bekommen soll, hat eine schwere Aufgabe vor sich. Sie muss versuchen, die verschiedenen Branchenstimmen, die sich im vergangenen Jahr immer wieder als dissonanter Chor präsentiert haben, in Einklang zu bringen. Erfahrung bei der Vermittlung zwischen teils unterschiedlichsten Interessen hat Müller von 2005 bis 2008 als Staatsministerin im Bundeskanzleramt sammeln dürfen. In der Funktion war sie unter anderem zuständig für die Bund-Länder-Beziehungen.Eine offizielle Bestätigung der Personalie steht indes noch aus. Ein VDA-Sprecher betonte, Gerüchte zu der Personaldebatte werde man nicht kommentieren. Vor dem finalen Beschluss des Präsidiums geht es laut Medienberichten aus Berlin allerdings nur noch um Details.Die Autobranche ist mit ihren mehr als 800 000 direkt Beschäftigten eine deutsche Schlüsselindustrie, die jedoch seit dem Skandal um manipulierte Abgastests bei Diesel-Autos vor drei Jahren öffentlich unter Dauerdruck steht. Die Autohersteller und ihre Zulieferer müssen zudem wegen der strengeren CO2-Grenzwerte auf einen wachsenden Anteil elektrisch betriebener Autos setzen, bei denen die Tiefe der Wertschöpfung geringer ausfällt. Während die Hersteller bereits begonnen haben, mehr batterieelektrische oder plug-in-hybride Autos in die Verkaufsräume zu bringen, hinkt der Ausbau der Lade-Infrastruktur noch hinterher.Hier hat die Diplom-Betriebswirtin Müller Expertise aufgebaut. Bis Oktober war sie Netzchefin des Energiekonzerns Innogy, der einer der größten Betreiber von Ladesäulen für Elektroautos in Deutschland ist. Müller war Anfang 2016 von der Spitze des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zu RWE gewechselt – kurz bevor dort das Geschäft mit erneuerbaren Energien, Netzen und Vertrieb ausgegliedert wurde. Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW war sie für insgesamt acht Jahre gewesen.Mit ihrer Zeit in der Energiewirtschaft und den Jahren an der Spitze der Jungen Union (1998 bis 2002) hat Müller nachgewiesen, dass sie sich in von Männern dominierten Feldern – wozu auch die Autoindustrie zählt – mehr als nur behaupten kann. Dass nach 23 Jahren mal wieder eine Frau den Posten an der VDA-Spitze bekommt – Erika Emmerich war von 1989 bis 1996 Präsidentin -, war den Autobossen dabei wohl ebenso wichtig wie die Tatsache, dass Müller mit ihren 52 Jahren knapp ein Jahrzehnt jünger als ihr Vorgänger Mattes und auch deutlich jünger als die ebenfalls gehandelten Sigmar Gabriel und Günther Oettinger ist.