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Vorstand Graf von Matuschka gibt den Außenminister von Hochtief

Von Andreas Heitker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 10.10.2015 Die Zahlen kennt er alle nur zu gut: Durchschnittlich 13 Arbeitstage lang stand ein Autofahrer in Deutschland im vergangenen Jahr im Stau. Aneinandergereiht wurden 2014 in Deutschland Staus...

Vorstand Graf von Matuschka gibt den Außenminister von Hochtief

Von Andreas Heitker, DüsseldorfDie Zahlen kennt er alle nur zu gut: Durchschnittlich 13 Arbeitstage lang stand ein Autofahrer in Deutschland im vergangenen Jahr im Stau. Aneinandergereiht wurden 2014 in Deutschland Staus mit einer Gesamtlänge von 960 000 Kilometern gezählt – was dem 24-Fachen des Erdumfangs entspricht. Der wirtschaftliche Schaden wird auf rund 100 Mrd. Euro geschätzt. Und ganz vorn in der Staustatistik ist mit weitem Abstand das Bundesland Nordrhein-Westfalen zu finden.Hochtief-Manager Nikolaus Graf von Matuschka kennt die leidvolle Situation auf den deutschen Straßen auch aus eigener Erfahrung nur zu gut – sein Arbeitsweg mit dem Auto führt ihn täglich in der Früh linksrheinisch an Düsseldorf vorbei. Vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht. Nach Einschätzung von Matuschka ließe sich der Investitionsstau in der Verkehrsinfrastruktur mit mehr öffentlich-privaten Partnerschaften – sogenannten PPP-Projekten – deutlich abbauen. PPP-Sprecher der BrancheDer Industriekaufmann ist im Vorstand von Hochtief für das PPP-Geschäft zuständig. Er engagiert sich im Deutschen Verkehrsforum. Und im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie leitet der Manager mittlerweile den Arbeitskreis für öffentlich-private Partnerschaften. Er ist auch für die Politik heute Ansprechpartner Nummer 1 bei einem gesellschaftspolitisch durchaus umstrittenen Thema, von dem er selbst sagt: “Ein generationengerechteres Modell gibt es nicht.”Durch sein politisches Engagement, das bei ihm mittlerweile mehr als 10 % seiner Arbeitszeit ausmacht, hat sich Graf von Matuschka in der Bauindustrie einen Namen gemacht. Er hat aber auch seinem eigenen Unternehmen wieder ein Gesicht und eine Stimme nach außen gegeben – sowohl gegenüber der regionalen und nationalen Politik als auch gegenüber Kunden und Mitarbeitern.Er nimmt sich die Zeit für die Vertretung von Hochtief nach außen, die Vorstandschef Marcelino Fernández Verdes heute nicht hat. Der Spanier verbringt nämlich immer noch die Hälfte seiner Arbeitszeit in Australien, um die dortige Konzerntochter Cimic, die frühere Leighton, neu aufzustellen. Der eloquente, zugleich aber bodenständig und unprätentiös auftretende Matuschka, dem Fernández im letzten Jahr auch schon die Führung des Europa-Geschäfts (Hochtief Solutions) anvertraut hatte, ist wohl der Einzige aus dem vierköpfigen Konzernvorstand, der diese Lücke füllen kann.Nikolaus Graf von Matuschka, Jahrgang 1963, blonder Seitenscheitel, markantes Kinn, arbeitet bereits in seinem 18. Jahr für Hochtief. Nach acht ersten Berufsjahren bei der Dipl-Ing. Scherzer GmbH, einem Mittelständler, war er 1998 zum größte deutschen Baukonzern gewechselt. Die Ochsentour führte ihn vom Niederlassungs- und Bereichsleiter schließlich in die Leitung des – mittlerweile verkauften – Geschäftsbereichs Facility Management. Als CEO des früheren Segments Service Solutions wurde er im Februar 2013 in den Solutions-Vorstand berufen. Ein gutes Jahr später folgte der Aufstieg in den Konzernvorstand.Diese Karriere war so nicht unbedingt geplant und absehbar gewesen, als Matuschka seine Ausbildung begann. Der talentierte Fußballer, der beim Bonner SC einst immerhin in der dritthöchsten deutschen Liga kickte und auch schon mal zu einem Probetraining zu einem höherklassigen Verein eingeladen wurde, begann in den achtziger Jahren zunächst Sport zu studieren. Zu seinen Mitstudenten in Mainz gehörten prominente Leichtathleten wie der Zehnkämpfer Jürgen Hingsen.Das Studium brach Matuschka allerdings kurz vor dem Ende ab, da er doch noch den lang erhofften Medizinstudienplatz erhalten hatte. Doch die Medizin hielt nicht, was sie versprochen hatte. Und so zog Matuschka auch hier irgendwann die Reißleine – und so dauerte es im Endeffekt etwas länger, bis er doch noch in Richtung Wirtschaft umschwenkte und ein Betriebswirtschafts-Diplom sowie im niederländischen Utrecht zusätzlich auch noch einen Bachelor of Business Administration erwarb.Der Vater von vier Kindern stammt aus einem jahrhundertealten osteuropäischen Adelsgeschlecht. Wie so viele mussten auch seine Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg aus Schlesien fliehen. Sie hatten alles verloren und fingen dann in Bonn noch einmal neu an. Nikolaus wuchs als eines von fünf Kindern in der früheren Bundeshauptstadt auf. Seit fünf Jahren wohnt er mit seiner eigenen Familie jetzt wieder im Rheinland zwischen Düsseldorf und Köln.Bei Hochtief gilt Nikolaus Graf von Matuschka heute als extrem guter Netzwerker und vielseitig einsetzbarer Manager. Er selbst spricht mit großer Leidenschaft über das Unternehmen, in dem er immer mehr Führungsverantwortung übernimmt. “Hochtief ist ein Konzern, der begeistern kann”, betont er.Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das von ihm verantwortete Europa-Geschäft noch immer in den roten Zahlen steckt. Die Problemstellen sind im Vergleich zu 2014 auch schon deutlich weniger geworden.Wohin den Grafen seine Karriere noch führen kann? Wer weiß. Vorstandschef Fernández gilt ja längst als CEO auf Abruf, seit er beim Hochtief-Mehrheitseigner ACS in Madrid zum designierten Nachfolger von Konzernchef Florentino Pérez ausgerufen wurde. Und zumindest in der Politik gilt ein Außenminister ja immer als ein potenzieller Kandidat für noch höhere Aufgaben. Eloquent und bodenständigAuf sein Gespür kann sich Matuschka bei der weiteren Karriereplanung auf jeden Fall verlassen: Beim Einstieg von ACS bei Hochtief war er noch weit von der ersten Führungsebene entfernt. Aber bereits damals war es ihm klar gewesen, dass sich hier eine Übernahme anbahnen würde. Er kaufte sich damals sogar schon Kassetten, um ein wenig Spanisch zu lernen. Daraus wurde dann zwar nie so richtig etwas, was aber heute auch nicht mehr ins Gewicht fällt: Die Arbeitssprache im Hochtief-Vorstand ist längst Englisch.