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VW-Chef stellt Audi einen Porsche-Mann an die Seite

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 5.12.2015 Dem in der Volkswagen-Abgasaffäre zuletzt ebenfalls in Erklärungsnot geratenen Audi-Konzernchef Rupert Stadler (52) hat der neue VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller (62) einen Porsche-Mann...

VW-Chef stellt Audi einen Porsche-Mann an die Seite

Von Stefan Kroneck, MünchenDem in der Volkswagen-Abgasaffäre zuletzt ebenfalls in Erklärungsnot geratenen Audi-Konzernchef Rupert Stadler (52) hat der neue VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller (62) einen Porsche-Mann als neuen Entwicklungsvorstand an die Seite gestellt. Stefan Knirsch (49) folgt in dieser Funktion mit Wirkung zum 1. Januar 2016 auf den altgedienten Manager Ulrich Hackenberg (65), der im Zuge des Skandals um manipulierte Dieselfahrzeuge bereits kaltgestellt wurde.Müller und Knirsch kennen sich aus der gemeinsamen Zeit bei Porsche. Der promovierte Werkstofftechniker ist ein Experte für Motorenkonstruktion und -entwicklung. Er verfüge über eine “breite Erfahrung in der Automobilindustrie”, sagte Müller nach einer fünfstündigen Sitzung des Audi-Aufsichtsrats. Müller zog kurz zuvor in das Kontrollgremium der Ingolstädter VW-Tochter ein und übernahm mit sofortiger Wirkung den Vorsitz. Damit folgte der frühere Porsche-Chef in dieser Rolle auf Martin Winterkorn, der bereits seine Führungsposten beim Wolfsburger Autoriesen und der Porsche Automobil Holding verloren hatte (vgl. BZ vom 4. Dezember).Stadler bezeichnete Knirsch als “kreativen und visionären Macher”, mit dem “wir gerade in dieser fordernden Situation durchstarten werden”. Der langjährige Audi-Chef kann diese Schützenhilfe in der Aufklärungsarbeit gut gebrauchen, geriet doch auch er zuletzt wegen der Affäre unter starken Druck. Ende November musste Stadler eingestehen, dass die von Audi entwickelten 3-Liter-Turbodiesel doch nicht den strengen US-Vorgaben entsprechen (vgl. BZ vom 25. November). Zuvor hatte das Management Vorwürfe der US-Umweltbehörde brüsk zurückgewiesen. Trotz dieser zusätzlichen Blamage inmitten von Dieselgate war Stadlers Posten wohl nicht ernsthaft in Gefahr. Aus dem Aufsichtsrat kamen in den vergangenen Tagen Signale, ihn nicht zum Rücktritt aufzufordern. Rückendeckung von HuberDennoch musste er sich auf der Sitzung für die verheerende Kommunikationspanne dem Vernehmen nach rechtfertigen. In einem Interview gab er die Schuld daran Ingenieuren, die den Vorstand im Glauben gelassen hätten, dass alles in Ordnung sei, was sich später als falsch herausgestellt habe.”Die Aufklärung geht voran”, sagte der stellvertretende Audi-Aufsichtsratschef Berthold Huber (65). Knirsch müsse Stadler bei der weiteren Aufklärung unterstützen, forderte der frühere Vorsitzende der IG Metall. “Die bisher getroffenen Maßnahmen des Vorstands zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.”Knirsch startete seine berufliche Karriere 1990 bei Audi im Bereich Motorenkonstruktion. Fünf Jahre danach wechselte er zu Porsche als Projektleiter und stieg später beim Zuffenhausener Sportwagenhersteller zum Leiter der Grundmotorentwicklung auf. Nach weiteren Stationen bei Porsche und einem kurzen Ausflug in die Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft von Rheinmetall kehrte er 2013 in das von den beiden Familienclans Porsche und Piëch dominierte Autoreich zurück. Bei Audi leitete Knirsch zuletzt die Aggregateentwicklung. In dieser Funktion war er Hackenberg unterstellt. Winterkorn hatte seinen engen Vertrauten im Juli 2013 nach Ingolstadt beordert, um die seinerzeit im Vergleich zu BMW ins Hintertreffen geratene Audi-Entwicklungsabteilung wieder auf Vordermann zu bringen. Hackenberg löste damals den glücklosen Wolfgang Dürheimer ab. Nach einigen Anfangserfolgen geriet Hackenberg jedoch in den Strudel der Dieselaffäre. Ende September wurde er beurlaubt.Hackenberg wehrte sich dem Vernehmen nach gegen diese Degradierung, hielt er sich doch in dem Skandal für unschuldig, obgleich die VW-Konzernrevision ihn mit Vorwürfen konfrontierte. Vor diesem Hintergrund hält sich die Vermutung, dass Hackenberg ein Bauernopfer in der Causa ist. Trotz dieses Zerwürfnisses verabschiedeten Müller und Stadler nach der Aufsichtsratssitzung den verdienten Manager mit warmen Worten. Vor allem das System der modularen Baukästen sei untrennbar mit seinem Namen verbunden, sagte Müller. “Heute profitiert der gesamte Konzern davon.” Ähnlich äußerte sich Stadler. Clanmitglieder rücken nachDerweil ziehen in das Audi-Kontrollgremium jüngere Mitglieder der Eigentümerfamilie ein. Dabei handelt es sich um Julia Kuhn-Piëch (34), die Nichte von Ferdinand Piëch, und seinen Neffen Josef Ahorner (55). Die Immobilienmanagerin Kuhn-Piëch kontrolliert die VW-Nutzfahrzeugtochter MAN SE und die Sparte Truck & Bus der MAN AG. Ahorner ist Chefaufseher und Hauptaktionär des Cloud-Marketingspezialisten Emarsys und war früher Mitglied des Gesellschafterausschusses der Salzburger Porsche Holding.Beide folgen auf den Firmenpatriarchen und dessen Frau Ursula Piëch, die im Frühjahr nach einem verlorenen Machtkampf gegen Winterkorn und seine damaligen Unterstützer das Feld räumten. Neuer Posten bei PorscheDas große VW-Personalkarussell drehte sich am Freitag auch in Stuttgart weiter. Der Porsche-Aufsichtsrat ernannte Albrecht Reimold (54) zum neuen Produktionsvorstand des Sportwagenbauers. Er tritt sein Amt am 1. Februar 2016 an und folgt auf Oliver Blume, der im Oktober als Nachfolger von Matthias Müller zum Vorstandsvorsitzenden berufen wurde. Reimold leitete in den vergangenen vier Jahren das VW-Werk in Bratislava. Er begann seine Laufbahn als Trainee bei Audi und stieg dann innerhalb des Konzerns weiter auf.Daneben schuf der Porsche-Aufsichtsrat den neuen Posten eines Generalbevollmächtigten. Ihn werde mit sofortiger Wirkung Jürgen Rittersberger (43) ausfüllen. Er berichtet direkt an Vorstandschef Blume und soll sich mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens nach Abschluss der Porsche-Strategie 2018 befassen. Rittersberger begann 2002 als Projektleiter der Prozessoptimierung bei Porsche. Zuletzt leitete er das Generalsekretariat und die Unternehmensentwicklung.Spätestens am Mittwoch geht die Aufarbeitung von Dieselgate in eine weitere Runde. Dann tagt erneut der VW-Aufsichtsrat.