VW-Finanzchef Pötsch wird Aufsichtsratschef
Von Peter Olsen, FrankfurtIm Führungskreis von Volkswagen gilt er schon lange als Mann für alle Fälle. Hans Dieter Pötsch, 2003 vom damaligen VW-Chef Bernd Pischetsrieder, der ihn von BMW her kannte, nach Wolfsburg als Finanzvorstand gelotst, soll im November in einer außerordentlichen Hauptversammlung in den Aufsichtsrat und dann zum Vorsitzenden des Kontrollgremiums gewählt werden. Bei der Porsche SE soll Pötsch weiter als Finanzvorstand agieren.”Herr Pötsch zeichnet sich durch strategische Weitsicht, tiefe Kenntnisse der Automobilindustrie und große Expertise an den Finanzmärten aus”, stellt der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Berthold Huber fest. Der frühere IG-Metall-Chef hatte kommissarisch die Leitung des Aufsichtsrats übernommen, nachdem Ferdinand Piëch sowie seine Frau Ursula Piëch im Frühjahr ausgeschieden waren. Für Pötsch muss die erst – gegen Piëchs Willen – in den VW-Aufsichtsrat eingerückte Piëch-Nichte Julia Kuhn-Piëch wieder weichen.Der 64-jährige Pötsch hat sich spätestens mit dem Management des Reverse Takeover in Sachen Volkswagen/Porsche ein starkes Renommee in der Finanzszene, aber auch das Wohlwollen der Familienstämme Porsche und Piëch erworben. Zwar sind für Porsche noch letzte Prozesse anhängig, aber nach der letztlich gescheiterten Porsche-Attacke unter Führung des damaligen Chefs Wendelin Wiedeking auf Volkswagen sind die Eigentümerfamilien über die Holding Porsche SE auch so Mehrheitsaktionäre in Wolfsburg geworden, wenn auch der Sportwagenbauer selbst Teil des Konzerns wurde.Mit Martin Winterkorn als Vorstandschef und Ferdinand Piëch als langjährigem Aufsichtsratsvorsitzenden war Pötsch mitentscheidender Faktor dieses Wolfsburger Machtdreiecks. Sein Name fiel deshalb immer wieder, wenn es um die mögliche Nachfolge von Winterkorn oder Piëch ging. Porsche-SE-Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche kann denn auch mit Überzeugung sagen: “Hans Dieter Pötsch besitzt das uneingeschränkte Vertrauen des gesamten Aufsichtsrats der Porsche SE.” Und damit schließt Porsche auch seinen Vetter Ferdinand Piëch mit ein, ohne ihn gesondert zu erwähnen.Dem Lob für den Piëch-Nachfolger schließt sich Stephan Weil, Ministerpräsident Niedersachsens, das mit einem Fünftel am stimmberechtigten VW-Kapital beteiligt ist, an. “Ich unterstütze den Vorschlag ausdrücklich.” Pötsch verfüge über eine herausragende Expertise in der Automobilwirtschaft und kenne den VW-Konzern in allen Details. Auch auf die Arbeitnehmerseite kann Pötsch setzen: “Wir sehen Herrn Pötsch als richtige Wahl für die Spitze des Aufsichtsrates”, sagte VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh.Natürlich gibt es auch Kritik am Vorgehen. So äußerte Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment: “Wir schätzen Herrn Pötsch als Finanzvorstand sehr, aber wir sind gegen seinen direkten Wechsel an die Spitze des Aufsichtsrates. Ein Aufsichtsratsvorsitzender braucht kritische Distanz, um Dinge zu hinterfragen. Das ist ohne Cooling-off nicht möglich.” Chance für Stadler?Der gebürtige Österreicher Pötsch studierte an der TH Darmstadt Wirtschaftsingenieurwesen Fachrichtung Maschinenbau. Von 1979 bis 1987 war er bei BMW, zuletzt als Leiter Konzern-Controlling. Danach wechselte er zum Maschinenbauer Trumpf und führte später bis 1995 als Vorstandschef Traub. Den Autozulieferanten und Lackieranlagenspezialisten Dürr lenkte er bis 2002, ehe er dem Ruf nach Wolfsburg folgte.Sein Nachfolger als VW-CFO soll rasch benannt werden. Im Konzern würde sich die Berufung von Audi-Chef Rupert Stadler, 52, anbieten, der im VW-Konzernvorstand sitzt und zu Winterkorns Ingolstädter Zeiten dort CFO war. Bei dem Premiumhersteller könnten sich an der Spitze Perspektiven für Manager aus dem VW-Kreis ergeben, für die möglicherweise nach der geplanten Organisationsreform kein Platz mehr wäre. Ein Kandidat könnte der bisherige Konzernvertriebschef Christian Klingler, Jahrgang 1968, sein. Aber auch Entwicklungschef Dr. Heinz-Jakob Neußer, Jahrgang 1960, Markenvorstand von Volkswagen, trauen viele den Sprung an die Audi-Spitze zu.