Parteigründung

Wagenknecht will mit neuem Bündnis die deutsche Parteienlandschaft aufmischen

Sahra Wagenknecht und neun weitere Abgeordnete sind aus der Links-Partei ausgetreten und haben für Januar die Gründung einer neuen Partei angekündigt. Das "Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – Für Vernunft und Gerechtigkeit" soll bereits zur Europawahl erstmals antreten.

Wagenknecht will mit neuem Bündnis die deutsche Parteienlandschaft aufmischen

Wagenknecht will mit neuem Bündnis die Parteienlandschaft aufmischen

So gut besucht war die Bundespressekonferenz seit dem Sommerauftritt von Olaf Scholz nicht mehr: Sahra Wagenknecht war am Montag mit einigen Mitstreitern erschienen, um endlich offiziell zu erklären, was sie mit ihrer neuen Partei vorhat. Und glaubt man den aktuellen Umfragen, dürfte die bisherige Linken-Ikone und ihr "Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – Für Vernunft und Gerechtigkeit" schon 2024 deutlich mehr Wähler anziehen als der Bundeskanzler und seine Sozialdemokraten. Laut Meinungsforschungsinstituts Insa könnten sich jetzt schon 27% der Menschen in Deutschland vorstellen, die neue Wagenknecht-Partei, die erst Anfang 2024 gegründet werden soll, zu wählen. Das BSW hätte damit das Potenzial, die heimische Parteienlandschaft gehörig aufzumischen.

Wagenknecht selbst kündigte an, eine Partei auf den Weg bringen zu wollen, die sich "für die nächsten 40 oder 50 Jahre" im deutschen Parteiensystem etabliere. Der heutige Name sei dabei nur eine Übergangslösung. Das BSW soll auf jeden Fall schon bei der Europawahl im Juni 2024 antreten. Auch bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden Jahr will die Bewegung auf dem Wahlzettel stehen, wenn die organisatorischen Voraussetzungen bis dahin stehen.

Neben der 54 Jahre alten Wagenknecht kündigten neun weitere Abgeordnete am Montag ihren Austritt aus der Links-Partei an, unter ihnen ist wie erwartet die bisherige Co-Fraktionschefin im Bundestag, Amira Mohamed Ali. Sie alle wollen aber bis zur Parteigründung in der Bundestagsfraktion der Linken bleiben. Wagenknecht sprach von einem "geordneten Übergang". Die Fraktion stünde nämlich ansonsten vor ihrer sofortigen Auflösung. Mit den verbleibenden 28 Abgeordneten könnte sie dann nur noch als sogenannte "Gruppe" im Bundestag weiterarbeiten. Ob die Fraktion dem vorübergehenden Verbleib zustimmt, ist bislang noch unklar. Parteichef Martin Schierdewan forderte Wagenknecht und ihre Unterstützer erneut auf, ihre Bundestagsmandate zurückzugeben.

Die 1969 in Jena als Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter geborene Wagenknecht gehörte bereits in den 1990er Jahren dem Bundesvorstand der damaligen PDS an. Nachdem diese später in die Linke verschmolzen war, war Wagenknecht zeitweise stellvertretende Parteivorsitzende. Von 2004 bis 2009 war sie EU-Abgeordnete. Seither gehört sie dem Bundestag an.

"Ausgerechnet in dieser Zeit hat die Bundesrepublik die wohl schlechteste Regierung ihrer Geschichte", startete sie am Montag ihre Attacken auf die Ampel-Koalition. Das verunsichere viele Menschen. Viele wüssten nicht mehr, was sie wählen sollten. "Seit Jahren wird an den Wünschen der Mehrheit vorbei regiert", kritisierte Wagenknecht. Ohne einen politischen Neuanfang stünden die Industrie und der Mittelstand auf dem Spiel. Deutschland drohe ein Wohlstandsverlust.

Wagenknecht, die zusammen mit Mohamed Ali, dem Bundestagsabgeordneten Christian Leye, dem Unternehmer Ralph Suikat und dem ehemaligen Geschäftsführer der Linken in Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön, in die Bundespressekonferenz gekommen war, forderte eine "Rückkehr der Vernunft – auch in der Wirtschaftspolitik". Deutschland müsse wegkommen von "einem blinden Öko-Aktionismus". Dazu gehört ihrer Ansicht nach auch ein deutlich angehobener Mindestlohn und eine Vermögenssteuer. Wagenknecht will zugleich ein Ende der Sanktionspolitik gegen Russland und erneute Lieferungen von russischem Öl und Gas über Pipelines.

An der heutigen EU und insbesondere der EU-Kommission ließ die bisherige Linken-Politikerin, die in zweiter Ehe mit Oskar Lafontaine verheiratet ist, kein gutes Haar. Sie sei gegen ein zentralisiertes, in Brüssel konzentriertes Europa, sondern wolle lediglich "gute Kooperationen" der Länder und ihrer Regierungen, betonte sie.

Von Andreas Heitker, Berlin