We-Gründer setzt auf Wir-Gefühl
Von Stefan Paravicini, New YorkNach den US-Fahrdiensten Uber und Lyft nimmt mit dem Bürovermittler Wework das nächste Start-up mit Aussicht auf einen Milliardenverlust im laufenden Turnus Anlauf auf die Börse. Nach dem ersten Halbjahr stehen bei dem neun Jahre alten Unternehmen aus New York 1,5 Mrd. Dollar Umsatz und ein Verlust von knapp 700 Mill. Dollar zu Buche. Firmengründer und CEO Adam Neumann scheint zu ahnen, dass das allein nicht reichen wird, um Investoren von der Equity Story zu überzeugen. “Wir widmen dies der Energie von We, die größer ist als jeder Einzelne von uns, aber in jedem von uns ist”, heißt es auf Seite 2 der Unterlagen zum IPO, die die Firma bei der Börsenaufsicht eingereicht hat. Was dem Geschäftsmodell von Wework an Substanz fehlt, will das Start-up, das erst vor kurzem in “The We Company” umfirmiert hat, offenbar mit Wir-Gefühl wettmachen.Die Idee ist nicht ganz neu. Denn um mit der Vermietung von Büros eine Bewertung von zuletzt rund 47 Mrd. Dollar erzielen zu können, hat Neumann Investoren wie der japanischen Softbank zunächst erfolgreich eingeredet, dass es sich bei Wework weder um eine Immobilienfirma noch um eine Technologiefirma, sondern um eine Gemeinschaft handelt. Die mittlerweile mehr als 527 000 Mitglieder dieser “We Generation”, wie sie der Firmengründer nennt, kommen nicht bloß zum Arbeiten ins Büro, sondern “wegen der Energie und der Kultur”, ist man bei We überzeugt. Miguel McKelvey, Mitgründer und Architekt, firmiert als Chief Culture Officer, um den schwer fassbaren Wettbewerbsvorteil von We zu unterstreichen.Wer auf Energie und Kultur auch außerhalb des Büros nicht verzichten will, kann sich mittlerweile unter der Marke “Welive” in der Nähe von manchen Coworking-Flächen kleine Apartments mieten. “Rise by we” heißt der sektiererisch anmutende Name des ersten Fitness- und Wellness-Clubs, den Wework in New York eröffnet hat. Im vergangenen Jahr hat Neumann nebenbei angekündigt, dass die Firma sich des Problems von 150 Millionen Waisenkindern auf der Welt annehmen werde. “Wir nennen es die Wework-Familie”, rief er den Mitarbeitern zu.Sinn für die Gemeinschaft hat Neumann schon in seiner Jugend gelernt, die er im Kibbuz in Israel verbrachte. Nach dem Militärdienst, den er ebenfalls in Israel absolvierte, kam er 2001 nach New York, wohnte bei seiner Schwester und versuchte zunächst mit einem Start-up für Damenschuhe sein Glück, bevor er zu Kinderkleidung wechselte. Im gleichen Haus befand sich ein Architekturbüro, in dem auch McKelvey arbeitete, während andere Flächen leer standen. Gemeinsam überredeten sie den Eigentümer der Immobilie, “grüne” Coworking-Flächen anzubieten. Nach dem Verkauf von Green Desk gründeten sie Wework, die in Manhattan mittlerweile mehr Büros als die größte US-Bank J.P. Morgan angemietet hat. Bürogemeinschaft as a ServiceDem 40-Jährigen ist es gelungen, die Firma als glitzerndes Technologie-Start-up aus dem Silicon Valley zu positionieren. Er beschreibt die Firma gerne als “physisches soziales Netzwerk” für “Millennials” und drückt damit mehrere Knöpfe, die die Aufmerksamkeit von Investoren garantieren. “Space as a Service” ist eine weitere Definition, die an Technologie wie “Software as a Service” statt an Immobilien erinnern soll. Die Grenzen der Expansion hat Neumann vorsorglich auf dem Planeten Mars gesteckt und damit einen weiteren Haken im Anforderungsprofil an visionäre Gründer gemacht.