Weber ist der neue starke Mann in der EVP
Von Andreas Heitker, Brüssel
Der stellvertretende CSU-Vorsitzende und langjährige Europaabgeordnete Manfred Weber ist neuer Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP). Auf einem Kongress der christdemokratischen Parteienfamilie in Rotterdam wurde der 49-Jährige mit 89% der abgegebenen Stimmen zum Nachfolger von Donald Tusk gewählt, der sich wieder stärker der polnischen Innenpolitik zuwenden will. Weber, der sein Amt als Fraktionsvorsitzender der EVP im Europäischen Parlament behalten wird, war bei der Wahl der einzige Kandidat gewesen.
Der Bayer hatte 2019 eigentlich EU-Kommissionspräsident werden wollen und war bei der Europawahl der Spitzenkandidat der EVP gewesen. Bei dem großen Personalpoker der Staats- und Regierungschefs nach der Wahl konnte er sich aber nicht durchsetzen. Er erhielt lediglich die Option, in der zweiten Legislaturhälfte EU-Parlamentspräsident zu werden. Nach der Postenverteilung nahm sich Weber erst einmal eine Auszeit. Im vergangenen September winkte er dann bei der Frage der Parlamentspräsidentschaft ab. Weber erhofft sich nämlich vom EVP-Parteivorsitz – insbesondere in Verbindung mit dem EVP-Fraktionsvorsitz im Parlament – einen wesentlich größeren Macht- und Gestaltungsspielraum. Zur neuen EU-Parlamentspräsidentin wurde im Januar nach Webers Absage seine konservative Mitstreiterin Roberta Metsola aus Malta gewählt.
Weber sitzt bereits seit 2004 im Europaparlament. Seit 2014 führt er dort die EVP, die auch aktuell noch die größte Fraktion stellt. Der Katholik gilt längst als einer der einflussreichsten EU-Abgeordneten in Brüssel. Mit der jetzigen Wahl wird er zum neuen starken Mann der christdemokratischen Parteienfamilie in Europa. Weber tritt dabei in keiner ganz leichten Zeit an: Die EVP besetzt mit Metsola und Ursula von der Leyen zwar noch die Präsidentenämter in zwei der drei EU-Institutionen. Sie stellt aber nur noch sieben der 27 EU-Regierungschefs. Insbesondere große EU-Länder wie Deutschland, Spanien oder Italien sind nicht mehr unter christdemokratischer Führung. Das war einmal anders.
Weber arbeitet daher schon länger an einer Neuausrichtung der Christdemokratie und der Mitte-rechts-Politik in Europa – auch mit Blick auf die nächste Europawahl 2024. Für die EU hat der neue Parteichef zudem schon wiederholt tiefgreifende Reformen gefordert, unter anderem ein Ende der Einstimmigkeit in der Außenpolitik. In seiner Antrittsrede nach seiner Wahl bezeichnete Weber die EVP als Rechtsstaatspartei Europas. Er drang darauf, der Ukraine einen möglichst raschen Beitritt in die EU zu gewähren, und übte zudem scharfe Kritik an der Ampel-Koalition in Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz warf er Führungsschwäche vor.
Die Kovorsitzenden der deutschen CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament, Daniel Caspary und Angelika Niebler, bezeichneten die Wahl Webers als „neuen Aufbruch für die Europäische Volkspartei“. Der neue Vorsitzende werde den gewaltigen Herausforderungen, vor denen Europa stehe und die sich durch den russischen Krieg gegen die Ukraine nochmals vervielfacht hätten, „entschlossen und ideenreich begegnen“.