Weber will nun doch nicht EU-Parlamentspräsident werden
Von Andreas Heitker, Brüssel
Der CSU-Politiker und Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, Manfred Weber, will sich im Januar doch nicht zum Präsidenten des Europaparlaments wählen lassen. Dies bestätigte der 49-Jährige am Mittwoch offiziell im Fraktionsvorstand, der aktuell in Berlin tagt. Er kündigte zugleich an, sich im kommenden Jahr um den EVP-Parteivorsitz zu bewerben und damit Donald Tusk nachfolgen zu wollen, der zurück in die polnische Politik gehen will. Den Fraktionsvorsitz will er weiter behalten.
Weber hatte 2019 eigentlich EU-Kommissionspräsident werden wollen und war bei der Europawahl der Spitzenkandidat der EVP gewesen. Bei dem großen Personalpoker der Staats- und Regierungschefs nach der Wahl konnte er sich aber nicht durchsetzen. Vereinbart wurde damals, dass das Amt des EU-Parlamentspräsidenten in der ersten Hälfte der Legislaturperiode an die Sozialdemokraten geht – gewählt wurde der Italiener David Sassoli – und Weber im Januar 2022 die zweite Halbzeit übernimmt. Mit diesem Trostpreis will sich der Bayer jetzt aber nicht mehr abfinden und sieht im EVP-Parteivorsitz offenbar einen größeren Macht- und Gestaltungsspielraum.
Weber selbst erklärte, seine Arbeit in der Fraktion und in der breiteren politischen Familie der EVP sei noch nicht abgeschlossen. „Unsere Mission, den Geist der Christdemokratie und der Mitte-rechts-Parteien in Europa wiederzubeleben, ist noch nicht beendet.“ Daher verzichte er auch auf die Kandidatur zum Parlamentspräsidenten. Der stellvertretende CSU-Vorsitzende betonte zugleich, dass sich an der politischen Vereinbarung von 2019 zur Aufteilung des Mandats durch seine Entscheidung nichts ändere: „Diese Vereinbarung ist nicht von bestimmten Kandidaten oder Umständen abhängig. Die zweite Hälfte des Mandats gehört der EVP-Fraktion.“
Neben dem Parlamentspräsidenten steht im ersten Quartal 2022 noch eine weitere hochrangige EU-Position zur Neuwahl: Im März läuft das Mandat von Charles Michel als EU-Ratspräsident aus. Zwar gibt es trotz der durchwachsenen Bilanz des Belgiers bislang keine Anzeichen für einen Wechsel. Ob dies so bleibt, dürfte aber auch davon abhängen, wie reibungslos die Staffelübergabe im EU-Parlament läuft.
Weber zumindest hat sich nun bereits der Neuausrichtung der Christdemokratie und der Mitte-rechts-Politik in Europa verschrieben – auch schon mit Blick auf die nächste Europawahl 2024. Denn dies wird nach seinen Worten darüber entscheiden, ob die EU nach den Wahlen „von Links- und Rechtsextremisten regiert wird oder nicht“. Weber sieht dies auch als eine Frage der Stabilität und des Wohlstands der ganzen EU an.
Ob sich Weber mit seinen Ambitionen durchsetzen kann, ist noch ungewiss, da der Fraktions- und Parteivorsitz bei der EVP zuletzt eher auf zwei Personen verteilt wurde und eine zu große Machtfülle gerade auf deutscher Seite von den kleineren nationalen EVP-Gruppierungen oft mit Skepsis gesehen wird.
Ein Gegenkandidat für Weber für den Parteivorsitz ist allerdings bisher nicht bekannt. Auch ist noch unklar, wer von den Christdemokraten im EU-Parlament an Stelle von Weber das Präsidentenamt übernehmen könnte. In Brüssel spekuliert wurde zuletzt bereits über Roberta Metsola aus Malta, Esther de Lange aus den Niederlanden sowie Esteban González Pons, einen spanischen Abgeordneten.