Weiterer Haftbefehl gegen Ghosn
Automobilbranche
Weiterer Haftbefehl gegen Ghosn
Ex-Chef von Renault fordert von Nissan Schadensersatz
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Gesche Wüpper, Paris
Viereinhalb Jahre nach seiner ersten Verhaftung in Japan sorgt Carlos Ghosn für neue Schlagzeilen. Wie jetzt bekannt wurde, hat die französische Justiz einen weiteren Haftbefehl gegen den früheren Chef von Renault und Nissan erlassen. Gegen den 69-Jährigen, der Ende 2019 unter Missachtung von Kautionsauflagen auf spektakuläre Weise aus Tokio in den Libanon geflohen ist, liegt auch in Japan ein internationaler Haftbefehl vor. Im Frühjahr 2022 hatte die französische Justiz einen weiteren internationalen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt. Die Staatsanwaltschaft Nanterre verdächtigt Ghosn, Vermögenswerte unterschlagen zu haben sowie Geldwäsche, Korruption und Vetternwirtschaft betrieben zu haben.
Sie hatte ihn deshalb im Frühjahr für eine mögliche Anklageerhebung vorgeladen. Da Ghosn der Vorladung nicht nachgekommen ist, hat sie inzwischen einen weiteren Haftbefehl erlassen. “Carlos Ghosn kann den Libanon nicht verlassen”, argumentieren Léon Del Forno und Martin Reynaud, die beiden Rechtsanwälte des früheren Renault-Chefs. Die libanesischen Behörden hätten ihrem Mandanten wegen der Verfahren gegen ihn in Japan verboten, das Land zu verlassen. Der neue französische Haftbefehl sei der Versuch der Staatsanwaltschaft, ihre Ermittlungen fortzusetzen, ohne Anklage gegen Ghosn erheben zu können, glauben sie.
Sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind, dürfte die auf Finanzdelikte spezialisierte Einheit der Staatsanwaltschaft jedoch Anklage erheben, heißt es in Paris. Bei dem Verdacht auf Geldwäsche geht es um Geldflüsse zwischen der niederländischen Tochter von Renault und Nissan sowie dem Renault-Vertriebshändler im Oman, Suhail Bahwan Automobiles (SBA).
Die Justiz untersucht auch hochdotierte Beraterverträge, die Renault während der Zeit abgeschlossen hat, in der Ghosn Chef war. So hat die niederländische Tochter der Allianz Renault-Nissan der früheren Justizministerin Rachida Dati zwischen 2010 und 2012 insgesamt 900.000 Euro überwiesen. Offiziell für ihre Arbeit als Rechtsanwältin. Doch Dati war damals auch Europa-Abgeordnete, weshalb sich die Untersuchungsrichter fragen, ob sie möglicherweise Lobbying für die Allianz betrieben und dafür ein großzügiges Honorar kassiert hat.
Dati ist inzwischen Bürgermeisterin des 7. Arrondissements von Paris und gilt als mögliche Kandidatin für das Bürgermeisteramt der französischen Hauptstadt. Die Justiz hat gegen sie 2021 Anklage wegen des Verdachts auf “passive Korruption” und “Vertuschung von Machtmissbrauch” erhoben. Die Politikerin weist die Vorwürfe zurück.
Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Nanterre geht es mindestens 15 Mill. Euro an verdächtigen Geldern – ein kleiner Bruchteil der Summe, die Ghosn nun von Nissan fordert. Der Ex-Chef von Renault und Nissan hat im Mai beim Kassationsgericht in Beirut Klage gegen den japanischen Autobauer und ein Dutzend seiner ehemaligen leitenden Mitarbeiter eingereicht. Er wirft ihnen Diebstahl, Falschaussage und Diffamierung vor und fordert als Schadensersatz rund 1 Mrd. Dollar.