Wenn in Familienkonzernen der Patriarch geht
Wenn in Familienkonzernen der Patriarch geht
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Zum zweiten Mal in der jüngeren Firmengeschichte tritt ein familienfremder CEO beim österreichischen Baukonzern Strabag an. Seit Mitte vergangener Woche leitet Stefan Kratochwill das börsennotierte Unternehmen aus Österreich. Er ist Nachfolger von Klemens Haselsteiner, einem der vier Söhne des Patriarchen Hans Peter Haselsteiner. Der 44-Jährige war Mitte Januar völlig unerwartet während einer Kur in Kärnten an einer Aneurysma-Blutung gestorben. Daraufhin wurde der frühere Vorstandschef Haselsteiner senior, der den Baukonzern groß gemacht hat, erneut mit Generalvollmacht ausgestattet. Vor der Berufung seines Sohnes zum Vorstandsmitglied Anfang 2020 hatte der 80-Jährige das Leitungsgremium schon einmal als Generalbevollmächtigter begleitet. Die Familie hält 30,7% der Strabag-Aktien.
Vorbild Birtel
Mit Thomas Birtel stand bis Ende 2022 bereits ein familienfremder Manager an der Firmenspitze. Er hatte die Leitung Mitte 2013 vom Konzern-Architekten Hans Peter Haselsteiner übernommen und schied nach fast zehn Jahren altersbedingt aus. Der unaufgeregt und sachlich auftretende Manager war weit mehr als eine Übergangslösung, was sein Vorgänger beizeiten auch öffentlich klargemacht hatte. Insofern kann der Deutsche als Beispiel für eine gelungene Machtübergabe an eine externe Führungskraft gelten. Nichtsdestotrotz ging die Geschäftsleitung mit seinem Ausscheiden zunächst in die Hände der Gründerfamilie zurück. Der neue CEO Kratochwill, Jahrgang 1977, kam 2003 als Trainee zu Strabag. Er leitete das europäische Gleisbaumaschinengeschäft und stieg 2017 zum Zentralbereichsleiter und Geschäftsführer der Baumaschinentochter Strabag BMTI auf.
Als Chef des Gesamtkonzerns steuert Kratochwill, der Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau an der Technischen Universität Wien studierte, nun 86.000 Mitarbeiter und 19 Mrd. Euro Leistung im Jahr. Sein Vertrag läuft bis Ende 2026.
Gotthardt-Nachfolger kurz im Amt
Für familiengeprägte Unternehmen sind solche Machtwechsel häufig eine heikle Phase. Denn die Patriarchen haben nach wie vor viel Einfluss, und nicht immer sind sie einverstanden damit, was der Neue an der Firmenspitze macht und wie er performt. Beim Softwarekonzern Compugroup Medical hielten sich die beiden Nachfolger des Firmengründers und langjährigen CEO Frank Gotthardt, Dirk Wössner und Michael Rauch, nur kurz auf dem Chefposten. Gotthardt hatte die Firmenleitung Ende 2020 abgegeben – im Alter von 70 Jahren. Er blieb aber als Vorsitzender des Verwaltungsrats und Großaktionär die zentrale Instanz.
Für Nachfolger Wössner, früherer Deutschlandchef der Telekom, war nach anderthalb Jahren Schluss. Die Trennung wurde mit „unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der langfristigen Strategie“ begründet. Daraufhin wurde CFO Michael Rauch zusätzlich zum Sprecher der geschäftsführenden Direktoren ernannt und stieg im Mai 2023 zum CEO auf. Doch im Sommer 2024 musste er dem Gründersohn Daniel Gotthardt Platz machen, obwohl Patriarch Frank Gotthardt ihm ausdrücklich bescheinigte, hochloyal gewesen zu sein.

Spannend dürfte die Nachfolgefrage künftig bei United Internet werden. Gründer und Vorstandschef Ralph Dommermuth hat das Internet- und Mobilfunkunternehmen aus Montabaur im Westerwald ähnlich stark geprägt wie Gotthardt senior den Anbieter von Software für Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken aus Koblenz. Dommermuth, gelernter Bankkaufmann, startete 1988 mit einer Marketingfirma, aus der sich der heutige United-Internet-Konzern mit Marken wie 1&1, Ionos, GMX, Web.de und Versatel entwickelte. Sein Sohn Philipp ist ebenfalls unternehmerisch tätig mit dem digitalen Hausverwalter HI Immobilien und der Plattform für Haus und Wohnen Homify. Einige Jährchen bleiben Ralph Dommermuth sicher noch, sein Haus zu bestellen: Der Unternehmer wurde im vergangenen November 61 Jahre alt.
Söhne am Steuerrad
Fest in Familienhand liegt die Firmenleitung fürs Erste bei Fuchs Petrolub und Fielmann. Den Schmierstoffhersteller Fuchs führt seit 2004 der 1968 geborene Stefan Fuchs. Er übernahm diese Rolle von seinem Vater Manfred Fuchs, der den Konzern aus Mannheim 41 Jahre lang führte. Neueren Datums ist der Generationswechsel bei der Optikerkette Fielmann. Der Anfang 2024 verstorbene Gründer Günther Fielmann gab die Leitung an seinen Sohn Marc weiter. Ab April 2018 führten sie den Konzern gemeinsam und 2019 rückte der Junior zum alleinigen Vorstandschef auf. Marc Fielmann ist 35 Jahre jung – er kann den Konzern also noch Jahrzehnte steuern.