Westpoint-Absolvent zieht ins Bietergefecht
Von Stefan Paravicini, New YorkIn der Pharmabranche wird seit bald zwei Jahren ein Bieterwettkampf nach dem anderen um Firmen mit aussichtsreichen Medikamenten im Portfolio ausgetragen. Nach den ersten neun Monaten im laufenden Turnus lag der Gesundheitssektor mit einem M & A-Volumen von gut 250 Mrd. Dollar nach Angaben des Informationsdienstes Dealogic schon wieder unter den Top 3, obwohl das im Vergleich zum Rekordjahr 2015 einem Rückgang der Übernahmeaktivitäten in dem Sektor um fast 50 % gleichkommt. Weil die Patente ihrer Blockbuster-Medikamente auslaufen und die Kosten für Forschung und Entwicklung steigen, gehen die Pharmakonzerne immer öfter dazu über, Konkurrenten mit vielversprechenden Medikamenten gleich ganz zu übernehmen, um außerdem noch Synergien zu heben.Ausgerechnet Johnson & Johnson (J & J), mit einer Marktkapitalisierung von 310 Mrd. Dollar der größte Gesundheitskonzern der Welt, hat sich in den vergangenen Monaten aus fast allen M & A-Scharmützeln herausgehalten. CEO Alex Gorsky, ein Absolvent der Militärakademie Westpoint, der zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn sechs Jahre Dienst in der US Army leistete, wiederholte auf Fragen von Analysten fast gebetsmühlenartig, dass er kleineren Übernahmen den Vorzug geben wolle, auch wenn J & J zum Ende des dritten Quartals Barreserven in Höhe von 18 Mrd. Dollar zur Verfügung standen und der Konzern auf kurzfristig liquidierbare Investments in ähnlicher Größenordnung zurückgreifen kann. Sollte man denn doch über eine größere Transaktion nachdenken, werde man sich auf keinen Fall unter Druck setzen lassen, ergänzte Gorsky regelmäßig. Große M & A-GeschützeMit dem Kauf der Augenheilkunde von Abbott Laboratories für mehr als 4 Mrd. Dollar machte J & J im September dann doch mit einem Milliardendeal von sich reden. Jetzt führt der Konzern Gespräche über eine Übernahme des Schweizer Biotechkonzerns Actelion, der an der Börse rund 19 Mrd. sfr Wert ist. Eine Offerte könnte nach Einschätzung von Marktbeobachtern Gegenangebote von europäischen Pharmaadressen wie Novartis, Roche oder Sanofi herausfordern. Gorsky müsste in diesem Bietergefecht die ganz großen M & A-Geschütze auffahren, um die Aktionäre von Actelion zu überzeugen und sich im Kampf um das Baseler Unternehmen durchzusetzen.Das Terrain ist dem Manager durchaus vertraut, auch wenn er im M & A-Getümmel zuletzt keinen großen Auftritt hatte. Die bislang größte Übernahme von J & J führte ihn schon einmal in die Schweiz. Den gut 20 Mrd. Dollar schweren Zukauf des Orthopädiespezialisten Synthes hatte zwar noch sein Vorgänger William Weldon eingefädelt, bevor Gorsky 2012 das Ruder übernahm und die Transaktion abschloss. Im vergangenen Jahr soll er mit Pharmacyclics laut US-Medienberichten aber bereits selbst ein ähnlich großes Ziel ins Auge gefasst haben. Am Ende musste J & J sich Abbvie geschlagen geben, die das Unternehmen für 21 Mrd. Dollar kaufte. Für Actelion müsste J & J noch eine Schippe drauflegen, um CEO und Mitgründer Jean-Paul Clozel, der zu den größten Aktionären des Unternehmens gehört, für den Deal zu gewinnen.Gorsky startete seine Karriere nach der Armeelaufbahn, die ihn nach Europa und Panama führte und die er im Rang eines Hauptmanns (Captain) beendete, 1988 im Vertrieb von Janssen Pharmaceutica, einer Tochter von Johnson & Johnson. Er erwarb einen MBA an der Wharton Business School und stieg rasch im Management auf. Allerdings nicht schnell genug, um 2004 dem Ruf von Novartis widerstehen zu können, die ihn als COO der Sparte General Medicines anwarb und ein Jahr später an die Spitze ihres US-Geschäfts setzte.Vier Jahre später nahm Gorsky das Angebot von J & J an, die Medizintechnik-Sparte zu leiten. Im Dezember 2011 wurde er gemeinsam mit der damaligen Chefin des Pharmageschäfts, Sheri McCoy, zum Vice Chairman befördert. Ein Jahr später setzte sich der heute 56-Jährige im Rennen um die Nachfolge von Weldon als CEO durch.