Wework will mit Mondbewertung auf den Mars
Von Stefan Paravicini, New YorkDas Geschäft von Wework, ein Anbieter von flexibel anmietbaren Büroflächen für Freelancer, Start-ups oder auch gestandene Unternehmen, ist schnell erklärt. Die 2010 von Adam Neumann und Miguel McKelvey in New York gegründete Firma mietet Büros langfristig an, macht sie für die Anforderungen der Generationen Y inklusive Tischfußball und Bier im Kühlschrank hübsch, sorgt für eine hippe und doch geschäftige Atmosphäre an ihren Co-Working-Standorten und versucht die Büros mit einer Prämie auf die an die Eigentümer zu entrichtende Miete zu vermarkten. Ähnlich sieht zum Beispiel auch das Geschäftsmodell der börsennotierten IWG aus.Was Wework von ihren Wettbewerbern unterscheidet, ist vor allem die Bewertung. Denn während die japanische Softbank Group laut US-Medienberichten gerade überlegt, für eine Mehrheitsbeteiligung an dem Start-up 15 Mrd. bis 20 Mrd. Dollar auf den Tisch zu legen, nachdem sie im vergangenen Jahr bereits mehr als 4 Mrd. Dollar für ein Fünftel der Anteile bezahlt hat, bringt es IWG an der Börse derzeit auf eine Bewertung von rund 3 Mrd. Dollar, obwohl die Firma rund vier Mal so viel Flächen wie Wework vermietet. Boston Properties, der ungefähr vier Mal so viele Büros gehören, wie Wework bewirtschaftet, liegt mit einer Marktkapitalisierung von 19 Mrd. Dollar ebenfalls unter der Bewertung, die das Start-up in der jüngsten Finanzierung erreicht hat. Zuletzt war davon die Rede, dass Wework eine Bewertung von bis zu 35 Mrd. Dollar anstrebe. Die “Financial Times” hat im Sommer vorgerechnet, dass die Firma bei den in der Branche üblichen Multiples gemessen an ihrem Umsatz von zuletzt 900 Mill. Dollar weniger als 3 Mrd. Dollar wert wäre.Auf der Suche nach den Gründen für die Mondbewertung landet man schnell bei Gründer Adam Neumann. Denn dem 38-Jährigen ist es gelungen, Wework wie ein glitzerndes Technologie-Start-up aus dem Silicon Valley zu positionieren. Er beschreibt die Firma gerne als “physisches soziales Netzwerk” für “Millennials” und drückt damit mehrere Knöpfe, die gesteigerte Aufmerksamkeit von Investoren garantieren. “Space as a Service” ist eine weitere Definition des Angebots von Wework, das vor allem an Technologie wie “Software as a Service” statt an Immobilienwirtschaft erinnern soll. Die Grenzen der Expansion von Wework hat Neumann in einem Interview auf dem Planeten Mars gesteckt und damit einen weiteren Haken im Anforderungsprofil an visionäre Gründer gemacht.Weggefährten berichten von Meetings, die für 23 Uhr angesetzt werden und sich bis tief in die Nacht ziehen. “Wenn Du an etwas glaubst, das größer ist als Du selbst, brauchst Du nicht viel Schlaf”, rief Neumann Mitarbeitern und Partnern vor wenigen Wochen beim alljährlichen Summer Camp Festival der Firma zu. Größer als er selbst ist das Unternehmen gemessen an seiner Bewertung auch deshalb, weil Neumann seinen Investoren erfolgreich eingeredet hat, dass es sich bei Wework weder um eine Immobilienfirma noch um eine Technologiefirma, sondern um eine Gemeinschaft handelt.Die mittlerweile mehr als 250 000 Mitglieder dieser “We Generation”, wie sie der Firmengründer nennt, kommen nicht bloß zum Arbeiten ins Büro, sondern “wegen der Energie und der Kultur”. Miguel McKelvey, Mitgründer und Architekt, firmiert als Chief Culture Officer, um diesen schwer fassbaren Wettbewerbsvorteil zu unterstreichen. Wer auf Energie und Kultur auch außerhalb des Büros nicht verzichten will, kann sich mittlerweile unter der Marke “Welive” in der Nähe von manchen Co-Working-Flächen kleine Apartments mieten. “Rise by we” heißt der sektiererisch anmutende Name des ersten Fitness- und Wellness-Clubs, den Wework in New York eröffnet hat. Beim Summer Camp Festival hat Neumann gerade angekündigt, dass die Firma sich des Problems von 150 Millionen Waisenkindern auf der Welt annehmen werde. “Wir nennen es die Wework-Familie.” Kibbuz und KinderkleidungDie eigene Jugend hat Neumann in einem Kibbuz in Israel zugebracht. Nach dem Militärdienst in Israel kam er 2001 nach New York, wohnte bei seiner Schwester und versuchte zunächst mit einem Start-up für Damenschuhe sein Glück, bevor er zu Kinderkleidung wechselte. Im gleichen Haus befand sich ein Architekturbüro, in dem auch McKelvey arbeitete, während andere Flächen leer standen. Gemeinsam überredeten sie den Eigentümer der Immobilie, “grüne” Co-Working-Flächen anzubieten. Nach dem Verkauf von “Green Desk” gründeten sie Wework, die in Manhattan mittlerweile mehr Büros als die größte US-Bank J.P. Morgan angemietet hat.