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Wie der Cropenergies-Chef zum Virentöter wurde

Von Daniel Schauber, Frankfurt Börsen-Zeitung, 14.5.2020 Krisen bieten Chancen. Man muss sie nur ergreifen. Joachim Lutz, der CEO der Südzucker-Tochter Cropenergies, hat jedenfalls nicht lange gefackelt, als die Corona-Pandemie die Spielregeln für...

Wie der Cropenergies-Chef zum Virentöter wurde

Von Daniel Schauber, FrankfurtKrisen bieten Chancen. Man muss sie nur ergreifen. Joachim Lutz, der CEO der Südzucker-Tochter Cropenergies, hat jedenfalls nicht lange gefackelt, als die Corona-Pandemie die Spielregeln für den Bioethanolhersteller über Nacht veränderte. Bislang stellten die Mannheimer vor allem Industriealkohol her, der Benzin beigemischt wird, das man an der Zapfsäule als E10 tanken kann. Seit neuestem produziert Cropenergies auch Alkohol zum Einsatz in Desinfektionsmitteln.”Dass sich da ein Markt für uns auftut, haben wir im Team relativ frühzeitig erkannt”, sagte Lutz bei der Bilanzvorlage. “Desinfektionsmittel besteht schließlich im Wesentlichen aus Ethanol, und das kommt beispielsweise von uns”, erklärte der 63-Jährige, der Mitte Juli in den Ruhestand geht, bei seiner letzten Bilanzpressekonferenz. Schon im März habe Cropenergies losgelegt, erzählt Lutz gut gelaunt in der coronabedingt telefonischen Konferenz. Die Produktionsumstellung vom Benzinadditiv zum Virentöter sei gut verlaufen. “Wir mussten natürlich erst Überzeugungsarbeit leisten, haben uns aber schnell organisiert. Es war eine tolle Teamleistung.”Das Zusatzgeschäft durch die Desinfektionsmittel ist dem Topmanager hoch willkommen. Denn der Lockdown, der die Menschen weniger Auto fahren lässt als sonst, hat für einen Einbruch der Benzinnachfrage gesorgt, der auch die Kurpfälzer hart trifft. Für Alkohol als Desinfektionsmittel, die seit Beginn der Pandemie sehr gefragt sind, kann er außerdem einen Aufpreis verlangen – einen “moderaten Aufschlag”, wie Lutz sagte. Wie hoch der genau ist, verrät der Cropenergies-Chef nicht und verweist vorsorglich darauf, dass sein Unternehmen eine gesellschaftliche Verpflichtung habe, die es zu erfüllen gedenke. “Wir wollten es bei den Preisen nicht übertreiben, auch wenn wir vielleicht mehr hätten verlangen können”, beteuert er. Mit moralisch fragwürdiger Preistreiberei wie bei Atemschutzmasken, für die man in ausgesuchten Apotheken statt Centbeträge zeitweise zweistellige Eurosummen hinblättern durfte, sei sein neues Viruzidgeschäft jedenfalls nicht zu vergleichen. “Wir machen faire Preise”, sagt er. Bereits ein Drittel der gesamten Produktion im größten Cropenergies-Werk Zeitz entfalle auf sogenannten technischen Alkohol, der für Desinfektionsmittel verwendet wird.Desinfektionsmittel, sagt Lutz, besteht zu 70 bis 80 % aus reinem Alkohol. Beigemischt würden dann noch Wasserstoffperoxid, destilliertes Wasser sowie Glyzerin. Die Rohstoffe für den geistreichen Keimtöter sind gar nicht teuer. Der Marktpreis für einen Liter reinen Alkohol liegt derzeit bei rund 50 Cent.