Wie Stella Ahlers das Familienerbe retten will
Von Antje Kullrich, DüsseldorfEinen Modehersteller zu führen ist kein vergnügungssteuerpflichtiger Job heutzutage. Die Branche leidet unter immer schwächer besuchten Innenstädten, viele Traditionsunternehmen haben den E-Commerce-Boom mehr oder weniger verschlafen. Auch Ahlers befindet sich 100 Jahre nach der Gründung des heute börsennotierten Familienunternehmens in einer der tiefsten Krisen der Firmengeschichte. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2019 hat das ostwestfälische Unternehmen das zweite Mal in Folge rote Zahlen geschrieben. Konzernchefin Stella Ahlers musste sich im abgelaufenen Jahr mehr mit der Restrukturierung des Herrenmodeproduzenten als mit Feierlichkeiten beschäftigen. Doch die 55-Jährige kämpft.Als mahnendes Beispiel hat jeder in der traditionsreichen ostwestfälischen Bekleidungsindustrie Gerry Weber vor Augen – den Konzern, der mit ungezügelter Expansion ganz groß werden wollte und dann umso härter fiel. Doch bei Ahlers ist vieles anders: die Substanz größer und das Ego kleiner.Seit 15 Jahren führt Stella Ahlers das Unternehmen, das ihr Großvater Adolf 1919 gründete und ihr Vater Jan später fortführte. Sie war das einzige Kind ihrer Eltern, half schon als Teenager im Lager oder auf Messen. Ihre Studienwahl jedoch hatte so rein gar nichts mit der schillernden Modebranche zu tun: In Paderborn und Bonn belegte sie katholische Theologie und Jura, am Lehrstuhl für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht in Luzern promovierte sie zur “Gleichstellung der Frau in Staat und Kirche – ein problematisches Spannungsverhältnis”.Mit dem oft glamourösen Getue in der Modebranche kann Stella Ahlers nichts anfangen. Ihren Konzern, an dem sie mit gut 52 % die Mehrheit hält, trimmte die zurückhaltend auftretende Unternehmerin jedoch auf mehr Luxus. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit verkaufte sie den Hemdenhersteller Eterna und erwarb die Edelmarke Baldessarini von Hugo Boss. In starken Marken – neben Baldessarini sind das vor allem Pierre Cardin und Otto Kern – sieht Ahlers auch die Zukunft. Im E-Commerce jedoch hat auch die Vorstandschefin die Entwicklung verschlafen. Die Lücke soll jetzt zügig geschlossen werden. Dafür holt sich Ahlers gerade Spezialisten von außen an Bord.Um das Familienerbe zu retten und die Zukunft von Ahlers zu sichern, veräußert Stella Ahlers derzeit das Tafelsilber. Ihre Großmutter hatte einst angefangen, Kunst zu sammeln, ihr Vater diese Leidenschaft fortgesetzt. Das Unternehmen verfügt über eine exquisite Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst mit Werken von Alexej von Jawlensky, Emil Nolde, August Macke, Yves Klein und Andy Warhol. Einen Teil der Sammlung hat Stella Ahlers im vergangenen Jahr verkauft, um die Verschuldung des Konzerns abzubauen. Weitere Veräußerungen sollen in diesem Jahr folgen. Leicht ist es ihr nicht gefallen, aber für die Stabilisierung des Unternehmens war es der beste Weg. Immerhin: Es bleibe genug Kunst im Unternehmen, sagt Ahlers. Denn die Sammlung ist längst nicht nur eine exzentrische Geldanlage. Ahlers nutzt sie zu Marketingzwecken, kombiniert Mode- mit Kunstevents.Die Substanz ist vorhanden. Im Krisenjahr 2019 ließ das Ergebnis zwar sehr zu wünschen übrig, doch der Abbau der Verschuldung führte zu einer weiteren Steigerung der ohnehin komfortablen Eigenkapitalquote von deutlich über 50 %. Stella Ahlers hat sich aus den Polstern des Familienkonzerns eine solide Basis geschaffen. Ihr Konzept der geschärften Marken, die auch online eine Relevanz erreichen sollen, muss sich aber noch beweisen.