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Xiaomi verliert ihr Aushängeschild ans Silicon Valley

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 26.1.2017 Zahlreiche chinesische Unternehmen werden zum chinesischen Neujahrsfest mit dem Phänomen konfrontiert, dass sich Arbeitskräfte zur länglichen Feiertagsperiode in die Heimat begeben und dann...

Xiaomi verliert ihr Aushängeschild ans Silicon Valley

Von Norbert Hellmann, SchanghaiZahlreiche chinesische Unternehmen werden zum chinesischen Neujahrsfest mit dem Phänomen konfrontiert, dass sich Arbeitskräfte zur länglichen Feiertagsperiode in die Heimat begeben und dann nicht wieder zurückkehren. Nun erlebt der chinesische Smartphonebauer und Technologiekonzern Xiaomi – wenn man so will – diese Problematik, allerdings auf hoher Managementebene. Der hoch profilierte Global Vice President der Gesellschaft und frühere Google-Manager, Hugo Barra (40), hat angekündigt, Anfang Februar seinen Posten aufzugeben und ins sonnigere Kalifornien beziehungsweise die IT-Hochburg des Silicon Valley zurückzukehren. Smog und Heimweh?Sind es die zuletzt wieder bedrohlichen Luftverschmutzungswerte und Smoggefahren in der chinesischen Hauptstadt Peking, die den Ausschlag gegeben haben, oder ist es nur allgemeines Heimweh? In einem Facebook-Eintrag jedenfalls betont Barra, dass rein persönliche Gründe vorliegen. Nach einigen Jahren im sehr, sehr besonderen und herausfordernden Umfeld Chinas habe er realisiert, dass dies stark auf sein Leben und auch seine Gesundheit abfärbe. “Meine Freunde und das, was ich als meine Heimat und Leben ansehe, liegt im Silicon Valley. Nun sehe ich die Zeit gekommen, dorthin zurückzukehren”, begründet der gebürtige Brasilianer seine Entscheidung. Dabei lässt Barra offen, ob er zunächst eine Auszeit nimmt oder bereits konkrete neue Berufspläne anvisiert.Wäre Xiaomi eine börsennotierte Gesellschaft, hätte die Nachricht vom Ausscheiden Barras mit Sicherheit einen kapitalen Kurssturz ausgelöst. Da Xiaomi allerdings noch immer als ein Start-up-Unternehmen läuft, dessen Marktbewertung sich nur auf Basis von zurückliegenden Finanzierungsrunden erahnen lässt, lässt sich der mögliche Kollateralschaden schwerer in Zahlen fassen.In jedem Fall muss Xiaomi mit einem schleichenden Image- und Bedeutungsverlust in der auf Silicon Valley fixierten Internet- und Kommunikationstechnologieszene rechnen, denn es verliert so etwas wie das “globale Aushängeschild” der Gesellschaft. Schließlich war Barra das erste und bislang einzige Schwergewicht aus dem Silicon Valley, das den Schritt gewagt hat, sich ins Reich der Mitte zu begeben und eine verantwortungsvolle Position bei einem chinesischen Tech-Unternehmen zu übernehmen.Barra war vor drei Jahren vom Gründer und Chef der Xiaomi Corp., Lei Jun, nach Peking geholt worden, um die internationalen Ambitionen des aufstrebenden und als innovativ geltenden Handy- und Konsumelektronikgerätebauers voranzutreiben. Dies galt damals als ein erstaunlicher Coup, denn Barra hatte in einer Schlüsselposition als einer der Vizepräsidenten beim Silicon-Valley-Riesen Google einen großen Namen.Fortan wurde Xiaomi, die damals längst noch nicht jedem ein Begriff war, auch im Ausland sehr viel stärker beachtet, auch wenn Xiaomi ihren Markterfolg, wie fast alle chinesischen Tech-Unternehmen, praktisch ausschließlich in den eigenen Gefilden des weltgrößten Konsumentenmarktes erzielt.Barra, der bei Xiaomi unter anderem als Produktchef die Verantwortung für die Entwicklung von Handymodellen und anderen Konsumelektronikgeräten innehatte, war insbesondere eine treibende Kraft, um Xiaomi zur Entwicklung eines eigenen Betriebssystems auf Basis der Android-Technologie von Google zu verhelfen, um der Gesellschaft eine größere technologische Unabhängigkeit zu verleihen. Auch fädelte er einen weitreichenden Deal mit Microsoft ein, bei dem sich Xiaomi eine Vielzahl von Patenten gesichert hat. Dies gilt unter anderem als ein Vorstoß, der den Weg in den US-Markt erleichtern soll. Allerdings ist Xiaomi bisher nicht vergönnt gewesen, für seine Handys ein Entree im US-Markt zu finden.Xiaomi gelang es, als Senkrechtstarter in der Branche im Jahr 2014 in die Spitzengruppe der chinesischen Handybauer vorzudringen und zeitweilig sogar Huawei als heimischen Marktführer abzulösen. Dabei machte sich Xiaomi Chinas überdrehte E-Commerce-Welten zunutze und setzte auf ein Geschäftsmodell des Angebots relativ hochwertiger Geräte mit flottem minimalistischem Design, die ressourcenschonend nur über Online-Kanäle vertrieben wurden. Allerdings musste Xiaomi feststellen, dass man bei Huawei auch nicht schläft und es auch noch andere Senkrechtstarter gibt. Andere NewcomerIm vergangenen Jahr wurde das hauseigene Ziel eines Absatzes von rund 100 Millionen Smartphones deutlich verfehlt, zudem erlebte Xiaomi hinsichtlich der Marktanteile einen Dämpfer. Man wurde nicht nur vom Rivalen Huawei, sondern auch von zwei bis dato weitgehend unbekannten chinesischen Newcomern namens Vivo und Oppo aus der Spitzengruppe verdrängt.Xiaomi stößt mit ihrem Geschäftsmodell zunehmend auf Schwierigkeiten. Die Vertriebsmethode erlaubt der Gesellschaft zwar einen schlanken und kostengünstigen Auftritt, doch arbeitet Xiaomi mit hauchdünnen Margen. Auch hat sich gezeigt, dass trotz des laufenden E-Commerce-Booms im Reich der Mitte die Fokussierung auf Online-Kanäle nicht ausreicht. Die neuen Konkurrenten Vivo und Oppo sind im Vergleich zu Xiaomi bereits wieder mit teureren Geräten und einem gehobenen Markenimage unterwegs und setzen dabei auch auf herkömmliche Vertriebskanäle mit Retailhandelspräsenz und Arrangements mit den Filialstellen der chinesischen Mobilfunkanbieter China Mobile und Unicom.