Zäsur an der Spitze der Reimann-Holding
Von Walther Becker, FrankfurtWachwechsel im milliardenschweren Imperium der Reimanns, einer der reichsten Familien der Republik: Überraschend wird Bart Becht, Partner der dem Clan zuzurechnenden JAB Holding, dieses Jahr in den Ruhestand gehen. Damit beendet der 62-jährige Dealmaker, der das Kaffeeimperium der Reimanns und ihrer Partner maßgeblich mit aufgebaut hatte, nach 40 Jahren in der Branche seine Karriere in der europäischen Konsumgüterindustrie. Der gebürtige Niederländer wurde vor allem als CEO des Konsumgütermultis Reckitt-Benckiser bekannt, den er von 1999 bis 2011 führte.Benckiser ist der Teil, den die verschwiegene Familie Reimann 1999 in die Fusion mit der britischen Reckitt & Coleman eingebracht hatte. JAB steht für Joh. A. Benckiser; Johann A. Benckiser hatte 1823 in Pforzheim eine Salmiakhütte erworben, das Chemieunternehmen Benckiser war jahrzehntelang in Ludwigshafen. Namhafte Erfindungen in den 1950er Jahren verhalfen ihm zum Aufstieg: So erfand Albert Reimann jun. den Wasserenthärter Calgon, in den Sechzigern das Spülmittel Calgonit sowie Kukident.Reimannns gelten mit einem vom “Manager-Magazin” auf 33 Mrd. Euro geschätzten Vermögen als die nach den Quandts reichste Sippe in Deutschland – auf jeden Fall sind sie die wohl unbekannteste. Die erfolgsverwöhnte Familie musste in den vergangenen Monaten aber erkennen, dass es nicht nur aufwärtsgeht. Becht war nach dem Debakel beim US-Parfümhersteller Coty, dem zweiten großen Standbein der Reimanns neben dem Kaffee, im November in Ungnade gefallen und musste den Board verlassen. Hier war der Aktienkurs kräftig eingebrochen.Wann genau und vor allem wie Becht bei JAB ausscheidet, ist unklar. Auch die Frage, ob er sein in die Holding investiertes Kapital mitnimmt oder engagiert bleibt, ist nicht beantwortet. Becht wird auch die acht Sitze, die er in Vorständen von JAB-Portfoliofirmen innehat, aufgeben – darunter den Vorsitz von Keurig Dr Pepper und Jacobs Douwe Egberts. Sein Abgang dürfte auch damit im Zusammenhang stehen, dass sich JAB zunehmend an externe Investoren wendet; mehr als 5 Mrd. Euro sollen für den JAB Consumer Fund eingesammelt worden sein. Harf und Goudet oben JAB wird, wie mitgeteilt wird, künftig von den beiden Seniorpartnern Peter Harf (72), einem langjährigen Vertrauten der Reimanns, und dem Franzosen Olivier Goudet (55) geführt, dem ehemaligen Mars-Chef, der auch dem Board des Brauereiweltmarktführers Anheuser-Busch Inbev angehört. Zu dem hinter diesem Konzern stehenden Clan von Jorge Paulo Lemann (3G Capital) aus Brasilien gibt es Verbindungen.Aus Brasilien kommt denn auch Ricardo Rittes de Oliveira Silva Paiva als Partner zu JAB. Der Finanzexperte, der zunächst für Advent arbeitete, war 14 Jahre bei AB Inbev, wo er Finanzierungen im Volumen von 75 Mrd. Dollar verantwortete. Er soll die Expansion in Emerging Markets verantworten und für JAB ein Büro in Sao Paulo eröffnen. Das Geflecht aus Milliardären, die hinter AB Inbev, Mars und JAB sowie Berkshire Hathaway stehen, arbeitet in Einzelfällen miteinander sowie mit der von einem früheren Goldman-Sachs-Banker gegründeten BDT zusammen.Des Weiteren ist Jacek Szarzynski in die JAB-Führungsriege berufen. Nach einer 24-jährigen Karriere bei Mars soll der Pole als Lead Operating Partner die Verantwortung für die neue Pret-Panera-Holding übernehmen. Darin hat JAB die Zukäufe Pret-a-Manger und Panera Bread eingebracht. Mit dem früheren Mars- und Jacobs-Douwe-Egberts-Manager Fabien Simon steigt ein Franzose und Kenner des Kaffeegeschäfts als CFO in der Reimann-Holding auf. Er hatte die Integration von Mondelez und Douwe Egberts verantwortet.Harf, Goudet und Becht gelten als Treiber der Transformation des Familienvermögens, zu der in jüngster Zeit Akquisitionen wie Dr Pepper Snapple (23 Mrd. Dollar 2018), die 2016 für 14 Mrd. Dollar geschluckte Keurig Green Mountain, Krispy Kreme Doughnuts, Pret-a-Manger und Panera zählten.JAB arbeitet wie Private Equity, hat aber keinen Exit-Druck. So wurde Coty, die 1992 gekauft wurde, sukzessive vergrößert, an die New Yorker Börse gebracht und mit der Übernahme von Marken um Wella von Procter & Gamble 2016 für 12,5 Mrd. Dollar verdoppelt. Doch hier geht die Rechnung bisher nicht auf. Selbst investiertDie JAB-Professionals, die auch selbst investieren, legen die Strategie fest und schlagen Akquisitionsziele vor, über welche die Reimanns, die den externen Managern Freiheiten lassen, entscheiden. Zuletzt beendete JAB weitgehend die Ausflüge in Luxus und Mode wie Jimmy Choo oder Bally, um sich auf Premiumnahrung und Getränke, in erster Linie Kaffee, zu konzentrieren. JAB meldete für Mitte 2018 eine Bilanzsumme von 23,3 Mrd. Euro bei einem Eigenkapital von 15,0 Mrd. Euro.Bei Coty war Becht im Herbst im Verwaltungsrat durch Harf ersetzt worden. CEO Camillo Pane musste gehen, nachdem er neue Probleme mit der Integration der Wella-Kosmetikmarken einräumte. Vor Pane hatte Becht Coty geleitet. Jetzt führt Pierre Laubies Coty, der zuvor Jacobs Douwe Egberts geleitet hatte und davor lange bei Mars tätig war.