Zulieferer-Chef Shanahan als zentrale Figur im Boeing-Fiasko
Zulieferer-Chef Shanahan als zentrale Figur im Boeing-Fiasko
xaw New York
Patrick Shanahan hat in seiner 30-jährigen Karriere bei Boeing zahlreiche Brandherde gelöscht – nun ist er als Externer zur zentralen Figur in einer existenziellen Krise des US-Flugzeugbauers geworden. Denn Shanahan führt seit dem vergangenen Oktober Spirit Aerosystems. Der Zulieferer stellt Rumpfteile für Boeing her – darunter auch jene Türabdeckung, die am 5. Januar nach dem Start in Portland, Oregon, in 4.900 Metern Höhe aus einer 737 Max 9 der Alaska Airlines herausbrach.
Der Vorfall brachte dem US-Flugzeugbauer Ärger mit Kunden wie Alaska und United Airlines ein, die ihre Max-9-Maschinen nach einem Flugverbot durch die Luftfahrtaufsicht FAA wochenlang aus dem Verkehr ziehen mussten. Die Konsequenzen halten darüber hinaus an: Die FAA kündigte an, dass sie keine weiteren Produktionssteigerungen der 737 Max, der wichtigsten Cashcow von Boeing, mehr zulassen werde.
Keine Finanzprognosen von Boeing für 2024
Infolge des Chaos um den Alaska-Zwischenfall und der entstandenen Reputationsschäden sieht sich der Konzern außerstande, finanzielle Prognosen für das laufende Jahr abzugeben. Auch das Mittelfristziel eines jährlichen freien Cashflows von 10 Mrd. Dollar, das Boeing eigentlich 2025/26 erreichen wollte, steht erheblich in Zweifel.
Während Boeing darum ringt, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen, wächst auch der Druck auf Zulieferer-Chef Shanahan. Spirit Aerosystems holte den 61-Jährigen, in seiner Zeit bei Boeing als „Mr. Fix-It“ bekannt, schließlich explizit, um Qualitätsmängel auszubügeln. Probleme mit dem Zulieferer hatten es Boeing schließlich auch in den Quartalen vor dem Alaska-Vorfall wiederholt erschwert, die Produktion auszuweiten. Die Verwaltungsräte beider Unternehmen setzten große Hoffnungen in den am renommierten Massachusetts Institute of Technology ausgebildeten Ingenieur, weil dieser unter anderem bereits bei der Bewältigung einer Krise um den 787 Dreamliner im Jahr 2013 eine Schlüsselrolle gespielt hatte.
Fixer im Pentagon
Zudem baute Shanahan seine Reputation als Problemlöser während seiner Zeit im Pentagon aus. Der damalige Präsident Donald Trump machte ihn 2017 zum stellvertretenden US-Verteidigungsminister, nach dem Rücktritt von Ressortleiter James Mattis stieg er Anfang 2019 zum amtierenden Minister auf. Im Pentagon arbeitete Shanahan daran, mehrere Schlüsselprojekte auf Linie zu bringen – darunter ein zuvor mit Pannen behaftetes Programm um den bei Lockheed Martin gebauten Kampfjet F-35, das den amerikanischen Steuerzahler über 60 Jahre mehr als 1 Bill. Dollar kosten soll.
Doch die Amtsperiode des Managers war auch von Konflikten geprägt. Der Generalinspekteur des Verteidigungsministeriums stieß eine Untersuchung dazu an, ob Shanahan Boeing bevorzugt behandelt und Konkurrenten wie Lockheed Martin gegenüber anderen Offiziellen schlechtgemacht habe. Letztlich konnten die Ermittler dem gebürtigen Kalifornier kein Fehlverhalten nachweisen.
Amtszeit abrupt beendet
Allerdings endete Shanahans Amtszeit Mitte 2019 abrupt, nachdem Trump zuvor noch Pläne ventiliert hatte, den Ingenieur dauerhaft zum Verteidigungsminister zu machen. Während der Ex-Präsident die Fähigkeit „dieses Boeing-Typen“ lobte, Projektkosten zu drücken, soll es Konflikte darum gegeben haben, dass Shanahan Trumps Pläne zum Bau einer Grenzmauer zu Mexiko mit Pentagon-Mitteln nicht nachdrücklicher verteidigte.
Erster Kontakt mit Spirit Aerosystems
Shanahan zog nach seinem Abschied aus Washington in die Verwaltungsräte mehrerer Unternehmen ein, darunter 2021 auch Spirit Aerosystems. Dort drängte er angesichts der umfangreichen Probleme und des hohen Cash Burn selbst an die Vorstandsspitze – seine Vertrauten stellten die Übernahme des CEO-Postens öffentlich als Versuch dar, Boeing von außen zu helfen.
Um eine selbstlose Rettungsmission handelt es sich aber nicht: Shanahan bezieht bei Spirit Aerosystems laut bei der Börsenaufsicht SEC eingereichten Dokumenten ein Basissalär von 2 Mill. Dollar pro Jahr, sein angeblich freiwillig abgetretener Vorgänger Thomas Gentile verdiente 1,3 Mill. Dollar. Zudem erhielt der Ex-Boeing-Manager eine Aktienzuteilung im Gegenwert von 8 Mill. Dollar.
CEO-Posten bei Boeing im Blick
Nun muss Shanahan den mit der Entlohnung verbundenen Ansprüchen gerecht werden. Denn die 737 Max und damit auch Spirit Aerosystems ist ein zentrales Puzzleteil in der Strategie von Boeing. Im vergangenen Jahr kursierten sogar Diskussionen über eine Übernahme des Zulieferers, der 2005 aus dem Verkauf von Boeing-Abteilungen in Kansas und Oklahoma hervorgegangen war. Shanahan gilt nicht als Feind dieser Möglichkeit: Der Manager strebt laut Insidern insgeheim eine Rückkehr zu Boeing und dort sogar den CEO-Posten an.