Zweikampf um Chefposten bei EZB-Bankenaufsicht
Zweikampf um Chefposten
bei EZB-Bankenaufsicht
Von Wolf Brandes, Thilo Schäfer und Mark Schrörs, Frankfurt/Madrid
Die Nachfolge von Andrea Enria an der Spitze der EZB-Bankenaufsicht hat sich nach Einschätzungen von Beobachtern auf zwei Kandidaten eingegrenzt. Dem Vernehmen nach sind Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch und die stellvertretende Gouverneurin der spanischen Zentralbank, Margarita Delgado, im Rennen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Die als dritte Bewerberin gehandelte Sharon Donnery, stellvertretende Gouverneurin der irischen Zentralbank, habe sich entschieden, nicht zu kandidieren. Ein Sprecher der EZB wollte sich zu der Sache nicht äußern.
Die Top-Personalie muss vom Europaparlament sowie den EU-Staats- und Regierungschefs bestätigt werden. Der Posten ist neu zu besetzen, da die fünfjährige Amtszeit von Enria 2023 endet und eine Verlängerung nicht möglich ist.
Bei den Spitzenpositionen auf EU-Ebene geht es immer auch um nationalen Proporz. Spanien ist mit EZB-Vizepräsident Luis de Guindos und dem Chef der EU-Bankenbehörde EBA, José Manuel Campa, gut repräsentiert. Deutschland dagegen hat in den vergangenen Jahren Spitzenjobs verloren – etwa beim Euro-Rettungsmechanismus ESM, dem lange Zeit Klaus Regling vorstand, und der Bankenabwicklungsbehörde SRB, bei der Elke König an der Spitze stand.
Wenngleich Zukunftsmusik, richten sich die Blicke bei der Besetzung der EZB-Aufsicht auch schon auf die Nachfolge von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, deren Amtszeit im Herbst 2027 endet. Da Deutschland bislang noch nie den EZB-Präsidenten gestellt hat, dürfte es bei der Lagarde-Nachfolge wieder das Thema geben, dass Deutschland „mal dran“ sei. Ein Kandidat wäre für viele Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Sollte jetzt Buch zum Zuge kommen, liefe ihre reguläre Amtszeit bis Ende 2028. Dass ein Land gleichzeitig die Spitze der EZB und der EZB-Bankenaufsicht SSM besetzt, scheint kaum vorstellbar.
Spanien gegen Deutschland
Solche Überlegungen stellen sich für Spanien nicht, das mit Margarita Delgado eine in der Bankenaufsicht erfahrene Kandidatin hat. Seit ihrem Eintritt in die spanische Notenbank 1989 hat sie auf diesem Feld gearbeitet. Die 60-Jährige kam 2014 erstmals zur europäischen Bankenaufsicht SSM, wo sie stellvertretende Generaldirektorin für die mikroprudenzielle Aufsicht war. Als erste Frau wurde Delgado 2018 zur stellvertretenden Gouverneurin des Banco de España ernannt.
Ihre Berufung durch die von den Sozialisten geführte Linkskoalition in Spanien war damals jedoch nicht reibungslos. Wirtschaftsministerin Nadia Calviño ließ Delgados Rolle während der spanischen Finanzkrise überprüfen. In ihrem Zuständigkeitsbereich lag die Aufsicht von Banco Popular. Nach dem Kollaps von Bankia 2012 deckte ein Stresstest eine große Kapitallücke bei Banco Popular auf. Die Notenbank erlaubte der Bank jedoch, durch eine Kapitalerhöhung das Problem zu lösen, ohne auf staatliche Rettungsgelder zurückzugreifen. Delgado bekam von Calviño das Vertrauen ausgesprochen und erhielt den Posten bei der Notenbank.
Im Februar wurde berichtet, dass sich Claudia Buch als deutsche Kandidatin für den Chefposten der EZB-Bankenaufsicht bewerben könnte. Nach einer beeindruckenden Laufbahn als Wissenschaftlerin – der Lebenslauf auf der Bundesbankseite umfasst 22 Seiten – kam sie im Mai 2014 als Vizepräsidentin zur Deutschen Bundesbank.
Als es 2021 um die Nachfolge von Jens Weidmann als Bundesbankpräsident ging, wurde auch der Name Buch genannt. Als Vize-Präsidentin nimmt sie als Begleitperson an Ratssitzungen der EZB teil und vertritt das Haus in anderen internationalen Gremien. 2022 trat sie in der Bundesbank eine zweite achtjährige Amtszeit als Vorständin und Stellvertreterin von Präsident Nagel an.
Die 57-Jährige, in Paderborn geborene Volkswirtin wird als pragmatisch beschrieben. Wie durch eine Fügung wurde im März dieses Jahres die Geschäftsverteilung im Vorstand der Bundesbank geändert. Zum April bekam Buch den Zentralbereich Banken und Finanzaufsicht übertragen und wurde damit Mitglied im Supervisory Board der EZB und im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht. Eine gute Startposition für eine EZB-Rolle.