Nachhaltigkeit

Allianzen im Klimaschutz bergen Kartellrisiken

Viele Konzerne wollen in ökologischen Themen zusammenarbeiten, doch dabei könnten wettbewerbsrechtliche Hürden im Wege stehen.

Allianzen im Klimaschutz bergen Kartellrisiken

Von Daniela Seeliger*)

Der Klimaschutz stellt in vielen Bereichen eine enorme Herausforderung für Unternehmen und Regulierungsbehörden dar. Unternehmens- und branchenübergreifend bildet sich der Konsens heraus, dass eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren erforderlich ist, um einen tiefgreifenden und nachhaltigen Wandel zum Schutz des Klimas herbeizuführen.

Viele Unternehmen wollen im Bereich Klimaschutz auch mit Wettbewerbern kooperieren. In einer Umfrage von Linklaters unter 200 Unternehmen gab ein Großteil der Befragten an, bei Klimaschutzfragen zusammenarbeiten zu wollen und koordinierte Maßnahmen zu befürworten. Zugleich gaben 57% der Befragten an, sich aufgrund rechtlicher Risiken bereits aus branchenübergreifenden Umweltinitiativen zurückgezogen zu haben. 91% der befragten Unternehmen forderten Änderungen bei wettbewerbsrechtlichen Regelungen, Ausnahmeregelungen oder klare Leitlinien von den Aufsichtsbehörden, um Kooperationen im Bereich Nachhaltigkeit zu fördern. Denn derzeit fehlt noch ein klarer rechtlicher Rahmen, wie Unternehmen untereinander Maßnahmen zum Klimaschutz ab­stimmen können, ohne den Wettbewerb zu beeinträchtigen.

Beispiel für eine Zusammenarbeit ist das „Amazonas-Sojabohnen-Moratorium“, eine Verpflichtung von Handelsfirmen, keine Sojabohnen aus Teilen des nach 2008 gerodeten Regenwaldes zu kaufen. Diese Vereinbarung soll den Regenwald vor der Abholzung schützen.

In der Coronakrise haben Behörden weltweit kurzfristig reagiert und in den am stärksten betroffenen Sektoren Ausnahmen vom Wettbewerbsrecht gewährt und dafür gesorgt, dass wettbewerbsrechtliche Regelungen im Bedarfsfall nicht angewandt werden müssen. Dieses Vorgehen könnte nun auch beim Klimaschutz eine Blaupause dafür liefern, wie man aus wettbewerbsrechtlicher Sicht pragmatisch auf die Herausforderungen der Klimakrise reagieren kann.

Aktuell überarbeitet die EU-Kommission ihre Leitlinien zur Kooperation zwischen Wettbewerbern. Im Zuge dessen könnte sie künftig eine eigenständige Gruppenfreistellungsverordnung ins Leben rufen, die klare Regelungen für Kooperationen von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz enthält.

Praktische Schritte

Doch wie können Unternehmen bereits jetzt bei Klimaschutzmaßnahmen kooperieren, ohne gegen das geltende Kartellrecht zu verstoßen? Hier gilt zunächst einmal: Vereinbarungen, die keine Preiserhöhungen, keine Vereinbarung zur Übernahme einer gemeinsamen Technologie oder keinen Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen zwischen Wettbewerbern vorsehen, werden in der Regel keine kartellrechtlichen Bedenken aufwerfen.

Die Herausforderung für Unternehmen liegt in der Bewertung von gemeinsamen Vereinbarungen, die darüber hinausgehen: Das betrifft beispielsweise Maßnahmen, die den Wettbewerb beeinträchtigen (z. B. durch Erhöhung der von den Verbrauchern gezahlten Preise), gleichzeitig aber tatsächlich Nachhaltigkeitsziele verfolgen (zum Nutzen aller Verbraucher).

Ein praktischer Ansatz sollte darin bestehen, die potenziellen Risiken zu identifizieren und eine Strategie zu entwickeln, wie diese Herausforderungen vorab bewältigt werden können. Die folgenden Punkte sollen dabei zur Orientierung dienen:

Generell gilt: Nachhaltigkeitsziele setzen die Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht außer Kraft.

Stellen Sie sicher, überzeugend erläutern zu können, warum die Unternehmenskooperation für die Erreichung des Nachhaltigkeitsziels unerlässlich ist.

Stellen Sie sicher, die Ziele auf die am wenigsten wettbewerbsbeschränkende Weise zu erreichen.

Identifizieren und quantifizieren Sie präzise ökologische und weitere Vorteile, die sich aus dem Projekt ergeben, und erläutern Sie, wie diese den Verbrauchern zugutekommen.

Dokumentieren Sie präzise den Umfang der Zusammenarbeit und stellen Sie sicher, dass diese nicht über das unabdingbar Notwendige hinausgeht, insbesondere im Rahmen langfristiger Projekte.

Bestimmen Sie exakt die Punkte, die im Rahmen der Kooperation miteinander abgestimmt werden müssen.

Beachten Sie, dass keine außerhalb des Projekts liegenden Angelegenheiten diskutiert werden, die zur (auch einseitigen) Weitergabe von kommerziell sensiblen Informationen führen können.

Erwägen Sie, eine unabhängige dritte Partei in dem Umfang mit einzubeziehen, in dem kommerziell sensible Informationen ausgetauscht werden müssen.

Dokumentieren Sie die Diskussionen vollständig zum späteren Nachweis.

Ziehen Sie in Betracht, den Behörden Ihre Nachhaltigkeitskooperation darzulegen, mit dem Ziel, eine behördliche Konzessionierung zu erhalten.

Der Klimaschutz stellt eine globale Herausforderung dar. Nicht zu handeln, ist keine Option. Kooperationen sind einer der Schlüssel zur Erreichung der Klimaziele. Unternehmen sollten daher auch durch klare kartellrechtliche Bestimmungen darin bestärkt und geleitet werden, zum Schutz des Klimas zusammenzuarbeiten.

*) Prof. Dr. Daniela Seeliger ist Partnerin von Linklaters in Düsseldorf.