GastbeitragFinanzierung

Alternative Finanzierungsformen auf dem Vormarsch

Asset-basierte Finanzierungsformen können Unternehmen helfen, ihren Finanzierungsmix zu verbreitern und ihre Finanzierungskosten zu optimieren.

Alternative Finanzierungsformen auf dem Vormarsch

Alternative Finanzierungsformen
auf dem Vormarsch

Asset-basierte Instrumente bieten sich für viele Unternehmen an

Von Martin Philipp Heuber*)

Drastisch gestiegene Kapitalkosten und eine in Teilen geringere Verfügbarkeit cashflow-basierter Finanzierungen, also insbesondere klassischer Bankkredite, stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Effekte treffen Mittelstand wie Großunternehmen, auch wenn sich die konkreten Problemstellungen voneinander unterscheiden: Finanzierungskosten übersteigen das gewünschte Verhältnis zu Ertrag vor Kapitalkosten, Abschreibungen und Steuern. Insbesondere für größere Investitionen oder Akquisitionen stehen Kreditmittel nicht länger im benötigten Umfang zur Verfügung. Einzelnen Branchen fehlt der Zugang zu klassischen Kreditfinanzierungen ganz.

In diesem sich verändernden Umfeld gewinnen asset-basierte Finanzierungsformen erheblich an Bedeutung. Ihr Vorteil: teilweise geringere Kapitalkosten, eine besonders gute Eignung für schwankende Geschäftsverläufe und zyklische Branchen sowie Unternehmen mit Lagerbeständen/Versandverzögerungen bei geringerer Bedeutung cashflow-basierter Finanzkennzahlen, aber auch Unternehmen mit hohen Wachstumsraten, die naturgemäß über hohes Umlaufvermögen verfügen. Hinzu kommen teilweise positive Bilanzeffekte.

Aus der Palette asset-basierter Finanzierungsformen ist vor allem Factoring im deutschen Markt weit verbreitet. Beim Factoring werden Zahlungsforderungen gegenüber Kunden unmittelbar nach ihrer Entstehung an einen Factor verkauft, der das Ausfallrisiko (in der Regel im Rahmen eines Abnahmelimits) übernimmt. Beim (sog. echten) Factoring findet ein vollständiger Bilanzabgang statt; dem für den Forderungsankauf gezahlten Kaufpreis steht also keine zu bilanzierende Verbindlichkeit gegenüber. Die Gesamtverschuldung erhöht sich durch eine Factoring-Transaktion damit in aller Regel nicht. Factoring eignet sich aufgrund seiner besonderen (auch administrativen) Anforderungen nicht für jedes Unternehmen. Deshalb lohnt es sich, einen Blick auf andere asset-basierte Finanzierungsformen zu werfen. Insbesondere Asset-Based Lending (ABL) Finanzierungen kommen gerade für solche Unternehmen in Betracht, für die Factoring ungeeignet ist. ABL-Kredite werden vorrangig durch Forderungs- und Inventarbestände in der Weise besichert, dass die Kreditgeber primär auf die Werthaltigkeit der Sicherheiten und erst danach auf den Geschäftsverlauf des Kreditnehmers abstellen. Das macht ABL-Kredite interessant für volatile Geschäftsmodelle wie auch für Branchen, die keinen Zugang zu klassischen Bankkrediten haben.

Was viele Unternehmen, die erfolgreich Factoring einsetzen, nicht wissen: Gerade sie haben das Potential, von zusätzlichen, asset-basierten Finanzierungselementen zu profitieren. Gut kombinierbar mit klassischen Factoring-Lösungen sind insbesondere die zuvor genannten ABL-Kredite: Forderungen, die für das Factoring nicht geeignet sind (etwa aufgrund zu kurzer Laufzeiten oder ungeeigneter Adressrisiken), lassen sich in die sogenannte Borrowing Base, den Sicherheitenpool der ABL-Finanzierung, einstellen. Der Kreditnehmer kann dann in einem bestimmten Verhältnis zum Wert der Borrowing Base die ABL-Finanzierung in Anspruch nehmen. Neben Forderungen ist hierfür auch der Warenbestand geeignet, in manchen Fällen eignen sich auch bereits Vorprodukte oder auch Rohstoffbestände. Die Abhängigkeit des verfügbaren Volumens einer ABL-Finanzierung vom Wert der Borrowing Base erlaubt ein Atmen der Finanzierung mit dem schwankenden Umfang des Umlaufvermögens.

Neben der möglichen Kombination mit einer ABL-Finanzierung bietet sich häufig an, ein vorhandenes Factoring-Programm zu einer vollständigen Supply Chain Finance Lösung zu erweitern, insbesondere durch Elemente des Reverse Factorings. Beim Reverse Factoring geht es darum, mit seinen Lieferanten deutlich längere (aber immer noch branchenübliche) Zahlungsziele zu vereinbaren. Gleichzeitig wird den Lieferanten ermöglicht, die Zahlungsforderungen über ein Reverse Factoring Programm zeitnah nach Lieferung ausgeglichen zu halten. Tritt der Finanzierungseffekt durch Verlängerung der Zahlungsziele ein, dann trägt die Kosten des Reverse Factorings in der Regel der Besteller. Das Reverse Factoring kann natürlich auch auf der Forderungsseite ansetzen und ein Factoring-Programm ersetzen. Reverse Factoring wird im deutschen Markt in jüngster Zeit vor allem im Hinblick auf seine – positiven – Bilanzeffekte propagiert. Doch die Vorteile von Reverse Factoring gehen weit über diese Effekte hinaus.

Eine in Deutschland noch wenig verbreitete, aber ebenfalls wachsende Finanzierungsform ist Inventory Finance. Während Kredite einer ABL-Finanzierung eine on-balance sheet Verschuldung darstellen, lässt sich über Inventory Finance Programme – ähnlich wie beim Factoring – eine Kapitalaufnahme außerhalb der Bilanz darstellen, die richtige Strukturierung vorausgesetzt.

Doch welche asset-basierte Finanzierungsform ist passend für ein Unternehmen? In der Praxis wird dies anhand eines 15 Punkte umfassenden Kriterienkatalogs geprüft; in den meisten Fällen lässt sich hieran sehr schnell ermitteln, ob und welche asset-basierte Finanzierungsformen eine geeignete Alternative darstellen. Asset-basierte Finanzierungsformen – in den USA bereits weit verbreitet – können Unternehmen helfen, ihren Finanzierungsmix zu verbreitern und ihre Finanzierungskosten zu optimieren, so dass eine größere Verbreitung in Deutschland als wünschenswert erscheint.

*) Dr. Martin Philipp Heuber leitet den Bereich Banking & Finance der Kanzlei Mayer Brown in Deutschland und ist Lehrbeauftragter am Institute for Law and Finance der Goethe Universität Frankfurt am Main.

Dr. Martin Philipp Heuber leitet den Bereich Banking & Finance der Kanzlei Mayer Brown in Deutschland und ist Lehrbeauftragter am Institute for Law and Finance der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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